Wer in den 90ern schon fleißig am Zocken war, der hat sich damals garantiert auch durch das eine oder andere Point-and-Click-Adventure gerätselt, von Monkey Island über Day of the Tentacle bis hin zu Simon the Sorcerer oder den Discworld-Games. Heutzutage ist das Genre leider etwas in Vergessenheit geraten – und nichtsdestotrotz erblicken ab und an immer noch richtig coole Vertreter mit reichlich Retro-Feeling das Licht der Gaming-Welt: Auftritt VirtuaVerse.
Ferne Zukunft …
Der Titel versetzt euch in die Rolle von Nathan, einem Engineer mit Liebe für Retro-Technik, der sein Geld auf der Erde der Zukunft mit nicht immer ganz legalen Mods und mehr verdient. AVR ist dort der letzte Hit: Augmented Virtual Reality – oder digitale Overlays über die reale Welt, die nicht nur zu Werbezwecken genutzt werden, sondern zudem auch das Aussehen von Menschen oder sogar ganzen Umgebungen verändern können. Betrachtet werden darf AVR durch spezielle Brillen – oder, viel praktischer, durch einen implantierten Permanent-Reality-Chip, der es gleichzeitig unmöglich macht, die Dinge überhaupt noch so zu sehen, wie sie wirklich sind. Und niemanden scheint das zu beunruhigen – nun, fast niemanden, denn Nathan ist als einer von wenigen Menschen der Erde noch nicht mit einem derartigen Chip ausgestattet, und als er am Morgen des Spiels erwacht, hat er gleich zwei Probleme: Seine Freundin Jay ist verschwunden und seine AVR-Brille, die einzige Möglichkeit, sie zu kontaktieren, beschädigt. Also auf ins Point-and-Click-Abenteuer …
… mit aktuellen Problemen
VirtuaVerse präsentiert sich als wunderbar futuristischer Cyber-Thriller mit jeder Menge Gesellschaftskritik und so manchem Easter-Egg für Fans der „guten alten Zeit“, in der Computer noch offline, riesengroß und ein Nischen-Hobby waren. Die zunehmende Entfremdung der Gesellschaft zugunsten technischer Neuerungen und die eine oder andere Verschwörungstheorie stehen dabei im Vordergrund – aber keine Sorge: Auch wenn die Themen, die angesprochen werden, durchaus ernst sind und zum Denken anregen können, ist alles bewusst übertrieben und mit einer gehörigen Portion Humor umgesetzt. Ein Pluspunkt für langjährige Gamer sind zudem die unzähligen Anspielungen an alte Systeme und Technologien, von Blahtari bis zu ASCII-Arts.
Einer der wichtigsten Aspekte eines jeden Point-and-Click-Adventures ist aber nicht nur die Story, sondern auch das Rätseldesign – und hier überzeugt VirtuaVerse auf voller Länge: Die Puzzles sind zum allergrößten Teil logisch und können auch ohne großes Trial-and-Error gelöst werden, alle Unterlagen und Hinweise, die benötigt werden, sind für aufmerksame Spieler problemlos zu finden, und unnötiges Hin- und Her-Laufen wird auf eine Minimum beschränkt. Der Schwierigkeitsgrad ist ebenfalls angemessen: Das Spiel wirft uns ein paar rote Heringe entgegen, um die Rätselei nicht allzu einfach zu gestalten, kompliziert aber auch nichts unnötig. Die Lösung liegt im aufmerksamen Lesen von Beschreibungen und Dialogen sowie dem geschickten Kombinieren von Hinweisen – genau wie das bei einem guten Point-and-Click-Spiel eben der Fall sein sollte.
Retro-Feeling pur
Wo wir gerade bei Dialogen waren: Um das richtige 90er-Jahre-Flair zu schaffen, setzt VirtuaVerse auf geschriebene Zeilen vollkommen ohne Voice Acting sowie auf für die damalige Zeit typische Pixel-Grafik, die sich sichtlich auch im Jahr 2020 noch wunderbar für Spiele dieser Art eignet. Ganz generell ist VirtuaVerse eine Ode an längst vergangene Gaming-Zeiten, die Spieler der ersten Stunde im Nu in ihren Bann ziehen wird. Untermalt wird das Ganze noch von einem wundervoll atmosphärischen Retro-Synth-Soundtrack von Master Boot Record, die von Blood Music gepublished werden – genau wie das Spiel selbst.
Must-play für Liebhaber von klassischen Point-and-Clicks
Wer immer wieder mal mit nostalgischem Blick auf seine Spieleboxen-Sammlung voller Games von LucasArts, Sierra und Co. blickt, der sollte sich unbedingt auch VirtuaVerse zulegen. Der Titel schafft es nicht nur, die Point-and-Click-Adventures dieser Zeit in sämtlichen Präsentations-Belangen gekonnt neu aufleben zu lassen, sondern liefert überdies auch eine unterhaltsame Story zum Schmunzeln, nostalgisch Sein sowie ab und an Nachdenken ab. Genre-Liebhaber können mit VirtuaVerse absolut nichts falsch machen.
VirtuaVerse
System: PC (Steam und GOG)
Entwickler / Publisher: Theta Division / Blood Music
Erscheinungsdatum: 12. Mai 2020
Kira arbeitet bereits seit 2004 für diverse Videospiel- und Entertainment-Magazine, darunter auch die ehemaligen Printmagazine von Gamers.at und consol.at. Leidenschaftliche Zockerin ist sie allerdings schon seit dem Atari 2600 und sie kann sich auch nicht vorstellen, dass sich das jemals ändern wird.