Müsste ich eine persönliche Bestenliste meiner liebsten Point&Click-Adventures aufstellen, dann würde sich darin ganz bestimmt auch die mehrteilige Baphomets Fluch-Reihe finden. Genau von dieser haben sich auch die Entwickler von The Hand of Glory inspirieren lassen und liefern mit ihrem eigenen Genre-Vertreter einen Mix aus angenehm bekannten Mechaniken samt neuer, Anspielungs-starker Story ab.
Er ist LAZARUS BUNDY!
The Hand of Glory versetzt euch in die Rolle des legendären Detektivs Lazarus Bundy, oder kurz Lars. Ausgestattet mit Mantel, Kappe und seinem Markenzeichen-Schal, ist er dafür bekannt, die größten Schurken Miamis im Nu zu überführen – oder eher, er war dafür bekannt, denn in den letzten Monaten ist seine Aufklärungsquote stetig gegen Null gesunken und sein Ruf hat mächtig darunter gelitten. All das soll sich nun aber ändern: Lars hat einen heißen Tipp bekommen, der es ihm ermöglichen könnte, den jüngsten Medienstar-Serienmörder, Blowtorch, zu überführen.
Blowtorchs vermeintliche Festnahme wird im Spiel wahlweise als Tutorial genutzt, in dem euch die Steuerung erklärt wird – waschechte Point&Click-Fans können dieses aber getrost auslassen und das erste Kapitel auch gleich normal durchspielen, da hier auf sämtliche Standards zurückgegriffen wird: Mit der linken Maustaste können bei Bedarf Aktionen ausgeführt werden, mit der rechten Maustaste darf alles begutachtet werden, euer Charakter bewegt sich via Klick auf den Bildschirm bzw. kann mittels Doppelklick auf einen Ausgang sofort in den Nebenraum befördert werden, und zum Sammeln und Kombinieren von Gegenständen steht euch eine Inventarleiste am oberen Bildschirmrand zur Verfügung. In einem Wort: Alles, wie man sich das als langjähriger Genre-Fan wünscht.
Weniger wünschenswert geht allerdings Lars‘ Festnahme aus: Anstatt Blowtorch zu überführen, wird unser Sherlock-Homes-Verschnitt von diesem verprügelt, kann gerade noch von seinem Vorgesetzten gerettet werden und Blowtorch entkommt – ein weiterer Schlag für unsere Karriere und willkommenes Futter für die Presse, die ohnehin kein gutes Haar mehr an Lazarus Bundy lässt. Seufz …
Mitstreiter willkommen
Nach Lars‘ letztem vergeigten Einsatz hat Oberinspektor Burton die Nase voll von dessen unüberlegtem Vorgehen und suspendiert ihn direkt vom Dienst. Doch Lars wäre nicht Lars, wenn er sich so einfach geschlagen geben würde – und glücklicherweise gibt es auch noch Leute, die trotz kürzlicher Fehlschläge zu ihm aufblicken. Oder ihn zumindest respektieren. Allen voran Alice, die neue Praktikantin, die nicht nur ein Ass in allen Dingen Technik ist, sondern obendrein eine ganz besondere Fähigkeit hat: Mit ihrer Kinesics-Ausbildung kann sie kleine Regungen in der Mimik und Gestik ihres Gegenübers analysieren und so wertvolle Rückschlüsse auf dessen Gemütszustand ziehen.
In Teil 1 des Abenteuers dürfen wir Alice leider nur einmal selbst steuern, jedoch macht die neue Mechanik Spaß – trotz geringer Herausforderung. Immerhin hat die junge Frau noch so manches andere Talent, beispielsweise googelt sie für Lars immer wieder wichtige Anhaltspunkte nach oder kann im späteren Spielverlauf über ihren Laptop eine App starten, die dank Handy-Signal-Triangulierung den Aufenthaltsort des Sprechers ermittelt. Zugegeben, Alices Input wirkt nicht ganz so ausgereift wie die klassischen Rätsel, die ihr mit Lars bestreitet, bieten aber immerhin angenehme Abwechslung vom üblichen Zeigen und Klicken. Wir hoffen jedenfalls, davon in Teil 2 noch weit mehr zu sehen – und vielleicht auch auf etwas komplexere Aufgaben.
Der Lösung auf der Spur
Aus Lars‘ simplem Fall wird im Lauf von The Hand of Glory Teil 1 schnell eine verstrickte Story, bei der sogar übernatürliche Mächte ihre Finger mit ihm Spiel haben könnten. Um der Lösung Schritt für Schritt näher zu kommen, müsst ihr mit Lars – und ab und an Alice – in typischer Weise Dialoge führen und Rätsel lösen, indem ihr Gegenstände findet und richtig kombiniert bzw. einsetzt. Das Puzzle-Design ist dabei im gesamten Spiel gut gelungen: Keine der Aufgaben verlangt unlogische Schritte und hält euch deshalb allzu lange mit sinnlosem Herumraten auf, und um euch das Finden von mitnehmbaren bzw. interagierbaren Dingen zu erleichtern, könnt ihr euch mittels Leertaste auch sämtliche Hotspots am Bildschirm anzeigen lassen. The Hand of Glory bewegt sich dabei in Sachen Schwierigkeitsgrad im guten Mittelfeld, womit der Titel sowohl Genre-Veteranen wie auch Neulinge begeistern wird.
Aber nicht nur beim Rätseldesign macht The Hand of Glory im Grunde alles richtig, auch die Präsentation kann sich sehen lassen: Die Umgebungen und Charaktere glänzen in hübscher Cel-Shading-Grafik, wie man sie aus Spielen wie eben Baphomets Fluch oder auch Monkey Island 3 und weiteren Klassikern kennt – mein persönlicher Favorit unter den typischen Point&Click-Aufmachungen – und bieten haufenweise Details. Die Animationen schwanken hingegen ein wenig in ihrer Qualität – Alice geht beispielsweise sehr steif –, aber das wäre auch schon der einzige Minuspunkt, den ich in Sachen Optik an The Hand of Glory anbringen möchte.
Beim Audio gibt es indessen überhaupt nichts zu meckern. Das gesamte Spiel kommt mit sehr gelungener Sprachausgabe für ausnahmslos jeden Charakter, und auch die Dialoge selbst sind peppig geschrieben. So manche Anspielung an die Popkultur und bekannte Klassiker zaubert euch zudem einen Schmunzler ins Gesicht. Und dann wäre da noch die Musik, die die Stimmung schön untermalt und von passenden Soundeffekten begleitet wird.
Klassisch gut
Anders als die meisten anderen Genres haben sich Point&Click-Adventures in den letzten 25 Jahren kaum verändert – und persönlich finde ich das auch gut so. Es gibt einfach Genres, bei denen weniger mehr ist: Eine spannende Story, sympathische Charaktere, gelungene, logische Rätsel – und schon hat man ein fantastisches neues Abenteuer, das einen obendrein willkommen nostalgisch stimmt. The Hand of Glory macht dabei so gut wie alles richtig, von den vorhin genannten Punkten bis hin zur gelungenen audiovisuellen Präsentation. Ich hatte mit Teil 1 jedenfalls großen Spaß und freue mich schon auf den Nachfolger, der am 8. September – diesmal sogar mit deutschen Texten – erscheinen soll.
The Hand of Glory Teil 1
System: PC (Steam)
Genre: Point&Click-Adventure
Entwickler / Publisher: Madit Entertainment & Daring Touch
Release: 9. Juni 2020
Kira arbeitet bereits seit 2004 für diverse Videospiel- und Entertainment-Magazine, darunter auch die ehemaligen Printmagazine von Gamers.at und consol.at. Leidenschaftliche Zockerin ist sie allerdings schon seit dem Atari 2600 und sie kann sich auch nicht vorstellen, dass sich das jemals ändern wird.