Sieben Jahre sind vergangen, seit The Last of Us die Gaming-Gemeinschaft im Sturm erobert hat. Wären wir in der Welt von Joel & Co., wären wir mittlerweile bestimmt Stalker und auf der Suche nach dem nächsten Opfer. Gut, dass uns die Codyceps-Infektion erspart geblieben ist und wir gemütlich auf der Couch Ellies Abenteuer genießen können.
Die Story erzählt uns die Ereignisse, die sich fünf Jahre nach dem Ende des ersten Teiles zutragen. Ellie und Joel leben in einer kleinen Siedlung namens Jackson in Wyoming und alles läuft, so gut es in einer postapokalyptischen Welt eben funktionieren kann. Doch nach einem einschneidenden Erlebnis begibt sich Ellie auf einen Rachefeldzug, der nicht nur sie verändern wird. Mehr möchte ich an dieser Stelle nicht über die Story verraten, denn die vielen Twists und Turns, die The Last of Us Part II zu bieten hat, müssen einfach selbst erlebt werden! Eines ist jedoch wichtig an dieser Stelle zu erwähnen: Ihr werdet nicht nur Ellie steuern!
Einen großen Teil eurer Spielzeit verbringt ihr diesmal in Seattle, in dem nicht nur eine neue militärische Organisation ihr Revier verteidigt, sondern auch ein Kult sein Unwesen treibt. Und dann wären da ja auch noch die Horden an Infizierten, die überall auf euch lauern – Schlaflos in Seattle hat nun definitiv eine neue Bedeutung für mich.
Optisch sieht The Last of Us Part II großartig aus. Besonders die Lichtstimmungen (HDR) sorgen für eine atemberaubende Atmosphäre, die jede Szene auf den Punkt bringt. Die Gesichtsanimationen und Haare sehen fantastisch aus und Details wie schmutzige Fingernägel sorgen überdies für eine ordentliche Portion Realismus. Ein wenig getrübt wird die Optik für mich nur durch den sehr stark ausgefallenen Grieselfilter, ein beliebtes Stilmittel diverser Horrorgames und -filme. Doch der durch die bessere Grafik mögliche Realismus verleiht dem Spiel auch eine Extra-Portion Grausamkeit und das Verwunden oder Töten diverser NPCs gestaltet sich dadurch als besondere Herausforderung.
Ich war zutiefst verstört, als ich zum ersten Mal einem Hund, der einer Patrouille angehörte und mich entdeckt hatte, eine Machete in den Rücken rammte, dieser daraufhin aufjaulte und ich dann zwei weitere Male auf ihn einhacken musste. Als die menschlichen Begleiter dann auch noch den Namen des Hundes riefen und in ihrer Stimme Schock und Trauer zu hören waren, fühlte ich mich noch schlimmer. Doch genau das will das Spiel vermitteln: Das Leben in der Postapokalypse ist kein Ponyhof, und es heißt überleben oder sterben. Jede Aktion motiviert eine Reaktion. Solltet ihr ein Problem mit expliziter Gewaltdarstellung haben, dann empfehle ich euch, einen weiten Bogen um das Spiel zu machen!
Ich erinnere mich nur zu gut an den verregneten Abend, als ich neun Jahre alt war und mit Freunden den ersten Teil der Resident Evil-Filmreihe in die Hände bekommen hatte. In dieser Nacht war meine Hassliebe zu Zombies geboren – und sie besteht bis zum heutigen Tag. Die in Last of Us vorkommenden Infizierten haben meine Angst jedoch auf ein neues Level gehoben. Die verschiedenen Typen sind je nach der Länge ihrer Infektion mit Pilzen überwuchert. Im ersten Stadium befällt der Pilz das Gehirn und lässt die Infizierten aggressiv auf andere losgehen. Ähnlich wie in 28 Days Later, rennen diese schreiend auf euch zu – daher auch der Name Runner. Die schon von Pilzen überwucherten Stalker stellen die zweite Infektionsstufe dar, lauern euch auf und sind aufgrund einer Pilzpanzerung schon schwerer zu bekämpfen.
Die nächste Stufe der Infektion, die nach Jahren auftritt, verwandelt die Opfer in sogenannte Clicker. Hier lässt nichts mehr auf einen Menschen vermuten, denn das Gesicht ist vollständig mit einem Pilz bedeckt, der die Umgebung mit Klickbewegungen scannt. Die ruckartigen Bewegungen und das Klicken in der Dunkelheit sorgen für Gänsehaut pur. Bloater sind seit dem Ausbruch infizierte, besonders starke Gegner, deren ganzer Körper mit Pilzplatten überzogen ist. Sie sind zwar langsam, aber werfen mit Sporen nach euch.
Zu diesen netten Kreaturen, die wir bereits aus dem Vorgänger kennen, gesellt sich nun der Shambler. Dessen Maul ist zwar mit Pilzen zugewachsen, wodurch er euch nicht beißen kann, jedoch sprüht er Säure auf euch, um euch schlicht zu töten. Die verschiedenen Gegner-Typen verlangen unterschiedliche Kampfstrategien – so werden die Gefechte nie langweilig. The Last of Us Part II hat in meinen Augen die furchterregendste Quasi-Zombie-Experience geschaffen, die ich bisher erleben durfte – und auch so schnell nicht vergessen werde.
Der Titel erzählt seine Geschichte nicht linear und benutzt immer wieder Rückblenden, die relevante Informationen preisgeben. Ruhige Momente sind rar und werden durch das andauernde Grauen umso wertvoller, wenn sie dann doch stattfinden. Durch diese Rückblicke lassen sich wunderbar verschiedene Umgebungen erkunden, die abwechslungsreich gestaltet sind. Ich möchte an dieser Stelle nicht zu viel verraten, aber einen Dinosaurier zu sehen, gehört definitiv zu meinen Highlights als absoluter Jurassic Park-Fan (wie Joel). Durch den integrierten Fotomodus habt ihr zudem die Möglichkeit, die Schönheiten und Grausamkeiten des Spieles einzufangen und sie nach eurem Belieben mit Filtern, Unschärfe oder Logo zu versehen. Es wäre schön, wenn auch ein nicht-orbitaler Kameramodus integriert wäre, aber das ist Jammern auf höchstem Niveau.
Einer der besten Aspekte des Spiels, ist das Erledigen der Infizierten. Dazu habt ihr eine nette Auswahl an Waffen und Hilfsmitteln, die ihr benutzen könnt. Wie im Vorgänger könnt ihr Medizin und Molotow-Cocktails herstellen, aber auch Schalldämpfer aus alten „Special Cola“-Flaschen und Tüchern. Ressourcen, die ihr dazu benötigt, findet ihr in der Umgebung, in Häusern oder wenn ihr gefallene Gegner lootet. Euer Arsenal wächst im Laufe des Spieles, und neben dem aus dem Trailer bekannten Bogen, könnt ihr auch Flammenwerfer, Maschinengewehr oder Rohrbomben benutzen. Solltet ihr mit den Ressourcen nicht zurechtkommen und euch die permanente Suche zu viel werden, könnt ihr in den Einstellungen einfach den Schwierigkeitsgrad nach unten stellen, um so etwas unbeschwerter durch die Welt zu schleichen. Ihr dürft zudem individuell das Verhalten eurer Begleiter, oder die Wachsamkeit der Gegner, nach eurem Belieben anpassen.
Für den Nahkampf findet ihr immer wieder Gegenstände wie Baseball-Schläger, die ihr auch noch ein wenig aufmotzen könnt. Mit einer Schere und Tape lässt sich wunderbar ein gepimpter Schläger anfertigen, der eure Gegner effektiver als die Standardvariante aus dem Weg räumt. Doch diese Waffen halten nur eine begrenzte Zeit – überlegt also gut, wann und wie ihr sie einsetzt! Auch euer Fernkampf-Arsenal lässt sich mithilfe von Schrauben auf Werkbänken verbessern. So dürft ihr eurem Gewehr beispielsweise ein vergrößerndes Zielvisier verpassen oder die Stabilität erhöhen. Um eure Fähigkeiten zu stärken, besitzt The Last of Us Part II simple, aber sehr übersichtliche Skill Trees. Zu Beginn könnt ihr hier nur die Basics mithilfe von Pillen verbessern, im Verlauf des Spiels finde tihr jedoch immer wieder Manuals, die weitere Skills freischalten.
Zudem dürft ihr unbegrenzt euren „Witcher-Sense“ einsetzen, der euch Gegner belauschen lässt und euch die Positionen dieser mittels gelber Umrandung anzeigt – besonders hilfreich beim Schleichen durch diverse Räume und Umgebungen. The Last of Us II ist übrigens der erste Titel, bei dem ich die Vibrationen des Controllers nicht deaktiviert habe, da diese äußerst angenehm eingesetzt wird. Sie ist nicht zu stark, sondern unterstreicht subtil gewisse Momente. Beim Balancieren warnt euch der Controller zudem, sobald ihr anfangt, in eine Richtung abzudriften. Stilistisch gut eingesetzt, verleiht die Vibrationsfunktion überdies auch Stealth-Kills einen besonderen Kick.
Die englische Vertonung ist ein Fest für die Ohren und die Sprecher haben einen fantastischen Job geleistet. Auch die Musik, die mehr Fokus auf die Emotionen der Spielfiguren legt, als bloß generische wiederholende Horror-Snippets abzuspielen, unterstreicht die Atmosphäre des Titels wunderbar. Geschaffen wurde der Soundtrack von Oscar-Preisträger Gustavo Santaolalla, der bereits für die Klänge des Vorgängers verantwortlich war. Musik spielt generell eine tragende Rolle in The Last of Us Part II, denn Joel bringt Ellie bei, Gitarre zu spielen. Immer wieder finden sich Momente im Spiel, wo wir selbst das Instrument in die Hand bekommen. Mit dem Steuerungsstick wählt ihr dabei den Ton aus, während ihr mithilfe des Touchpads einzelne Seiten oder ganze Akkorde anschlagt. Diese Momente gehören zu den ruhigsten im Game und man kann sich wunderbar in dieser Tätigkeit verlieren. Ich habe beispielsweise sicher eine halbe Stunde versucht, Nothing Else Matters zu spielen, und hoffe, im Netz bald auch diverse Videos zu finden, in denen Leute mit Ellies Gitarre bekannte Songs performen.
Während der Testzeit kam es, bis auf zwei Ausnahmen, zu keinerlei Bugs. Einmal hat die PS4 Pro nach dem Öffnen einer Lade während des Lootens beschlossen, sich aufzuhängen, und musste vom Strom genommen werden, und einmal fiel ich ohne Grund durch den Boden der Spielwelt ins Nichts. Aufgrund der gut getimten Autosaves war das jedoch nicht weiter schlimm und ich konnte meinen Weg durch Seattle schnell wieder aufnehmen.
Kein Spiel der letzten Jahre hatte vor seinem Release einen derart großen Hype und gleichzeitig, nach den Leaks, so viele negative Bewertungen. Die Geschichte wird nicht allen gefallen und gewisse Entscheidungen, die jedoch aus erzählerischer Perspektive notwendig sind, werden bestimmt auch einigen sauer aufstoßen. Was ich persönlich jedoch schockierend finde, ist, dass ein Großteil des Hasses sich auf Ellie und ihre Homosexualität bezieht. Im Nahen Osten wurde der Titel aufgrund seiner LGBT-Inhalte sogar verboten. Ich persönlich finde es großartig, wie divers die Personen ausfallen, die wir in diesem Teil kennenlernen. Ellie ist lesbisch? You go, girl! Ein Charakter ist transgender? You go, boy! Eine Frau mit Achselhaaren? Es ist die Post-Apokalypse, es gibt im Moment Wichtigeres zu tun, als sich unter den Armen zu rasieren!
Immersives Post-Apokalypse-Abenteuer
The Last of Us Part II ist ein Titel, der unter die Haut geht. Ein Spiel, das euch noch lange über eure Taten und die Geschehnisse darin nachdenken lässt. Ich bin dankbar, dass ich diesen verrückten Trip machen durfte. Mich persönlich hat kein Spiel der letzten Jahre so dermaßen mitgenommen und in sich hineingezogen wie The Last of Us Part II. Ein absolut immersives Erlebnis, das ich nur empfehlen kann, wenn euch nach realistischer Post-Apokalypsen-Kost ist!
The Last of Us Part II
System: PlayStation 4
Genre: Action-Adventure, Survival-Horror
Entwickler/ Publisher: Naughty Dog / Sony Interactive Entertainment
Release: 19. Juni 2020
Videospiel-Liebhaberin seit sie einen Gameboy zum ersten Mal in den Händen hielt. Lieblingstitel der letzten Jahre: The Witcher 1-3, Horizon Zero Dawn und Lost Ember.