Horrorspiel ist nicht gleich Horrorspiel. Während uns manche der Gruselabenteuer mit Horden an Monstern fordern, die uns nach dem Leben trachten, kommen andere Titel vollkommen ohne direkte Konfrontationen aus und spielen stattdessen lieber mit den Untiefen unserer eigenen Psyche. Those Who Remain geht den Mittelweg und baut auf die Tatsache, dass der Blick in den Abgrund weit unheimlicher ist als all das, was daraus heraufklettern könnte.
Ab des lichten Wegs
In Those Who Remain schlüpft ihr in die Rolle von Edward, der zu Beginn des Spiels Whiskey-trinkend darüber lamentiert, dass er seine Frau inmitten ihres größten Traumas im Stich gelassen hat. Ein entscheidender Faktor dabei: Edwards Affäre mit Andrea, die er nun endlich beenden möchte. Also geht es ab zu einem Hotel nahe der Stadt Dormont. Nur zu dumm, dass hier seit einiger Zeit absolut nichts mehr mit rechten Dingen zugeht …
Im Hotel angekommen, ist von Andrea keine Spur; stattdessen sieht sich Edward schaurigen Schattenwesen gegenüber, die ihn aus jedem dunklen Winkel anstarren. Ein unheimlicher Telefonanruf warnt ihn, im Licht zu bleiben – nicht, dass wir an dieser Stelle etwas anderes vorgehabt hätten. Als dann auch noch unser Auto gestohlen wird, machen wir uns also zu Fuß auf nach Dormont – ohne die Dunkelheit zu durchqueren, was sich nicht immer als ganz einfach herausstellt.
Zwischen den Welten
Eure Hauptaufgabe in Those Who Remain besteht darin, diverse Umgebungen zu durchforsten, so viele Lichtquellen wie möglich anzuknipsen und euch mithilfe diverser Gegenstände, die ausfindig gemacht werden müssen, einen Weg vorwärts zu bahnen – und dabei natürlich immer schön im Licht zu bleiben, damit euch die schaurigen Schattenwesen mit ihren leuchtenden Augen nicht schnappen.
Während diese nur herumstehen und geduldig darauf warten, dass ihr einen falschen Schritt tut, gibt es allerdings auch eine halbe Handvoll anderer Bewohner des nicht wirklich friedlichen Dorfes, die euch auch aktiv Schrecken einjagen – und zwar gleich in zweifacher Hinsicht: Zum einen im traditionellen Sinn, nämlich, indem sie euch jagen und töten, sofern ihr zu nahe an sie herankommt, zum anderen aber leider auch, da diese ein im Ansatz wundervoll schauriges Spiel zeitweise zur frustigen Arbeit verkommen lassen.
Schuld daran ist, dass die meisten Monster in Those Who Remain schlicht und einfach als bewegliches Hindernis dienen, das es zu vermeiden gilt – und dabei nicht allzu selten genau dort stehen, wo ihr wissentlich hinmüsst. Der Titel wird somit immer wieder zum simplen Geduldsspiel, das Fehler noch dazu hart bestraft: Einmal entdeckt, habt ihr eine kleine Chance, das Monster durch Davonlaufen abzuschütteln – gelingt euch das allerdings nicht, beispielsweise, weil ihr unglücklicherweise in eine Sackgasse flüchtet, müsst ihr vom letzten Checkpunkt an nochmals starten, und diese liegen teilweise recht weit auseinander. Kombiniert man das mit der Tatsache, dass man oft nicht auf den ersten Blick sieht, was eigentlich zu tun ist oder wo sich Dinge, mit denen man interagieren kann, befinden, läuft das Gameplay auf viel Trial and Error mit häufigen Wiederholungen längerer, eigentlich bereits absolvierter Abschnitte hinaus.
Glücklicherweise besteht Those Who Remain aber aus weit mehr als bloß Frustpassagen. Neben den Monstern, die die reale Welt zu einem lebenden Albtraum machen, findet Edward auf seinem Weg nach Dormont auch Dimensionsportale, die ihn in eine blau-schimmernde Parallelwelt schicken, in der andere Gesetze der Physik herrschen und wo er zudem Dinge in Gang setzen kann, die in der gewohnten Realität womöglich nicht zugänglich sind. So zündet ihr Lianen rund um einen abgestellten Wagen an, um diesen in beiden Dimensionen freizulegen, betätigt Gabelstapler, die nur in einer der beiden Welten noch Saft haben, oder nutzt kurze Sprünge in die andere Ebene, um über festen Boden zu sprinten, der sich Sekunden später, in der anderen Ebene, in einen Abgrund verwandelt. Gerade Passagen wie die letzte, in der ihr durch Anomalien im Raum-Zeit-Gefüge in regelmäßigen Abständen zwischen den Dimensionen hin und her befördert werdet, sorgen für mächtig Atmosphäre.
Dämonischer Freelancer
Abseits eures eigenen Quests, zurück nach Dormont zu gelangen und am Weg mehr über euer eigenes Trauma zu erfahren und schließlich herauszufinden, wie die schaurigen Ereignisse, denen ihr ausgeliefert seid, mit eurer Vergangenheit zusammenhängen, gilt es in Those Who Remain auch Richter zu spielen – im wahrsten Sinne des Wortes.
Die Schrecken Dormonts scheinen sich allesamt um einen einzigen Zwischenfall zu drehen: Den Tod der 13-jährigen Annika, die Opfer eines bösen Streichs wurde, der ihr Leben kostete, von der Stadt und ihren Bewohnern jedoch offensichtlich vertuscht wurde, um die Sache als bloßen Unfall abzutun. Im Spiel begegnet ihr dabei nach und nach einem Verantwortlichen nach dem anderen, müsst durch das Finden diverser Dokumente und Gegenstände herausfinden, was wirklich geschah, und könnt dann auf Geheiß des silbergesichtigen Dämons Daezach, der eindeutig seine Finger in allem hat, entscheiden, ob ihr die jeweilige Person erlösen oder ins Fegefeuer der Hölle schicken möchtet. Doch Vorsicht: Eure Entscheidungen besiegeln nicht nur deren Schicksal, sondern auch euer eigenes – und führen zu einem von insgesamt drei Enden, die ihr im Spiel erreichen könnt. Die multiplen Enden sorgen für Wiederspielwert, auch wenn sich außer ein paar kleinen Szenen und eben dem Ende selbst nichts ändert.
Licht und Schatten
In Sachen Präsentation bietet Those Who Remain sehr gemischte Kost. Die Umgebungen selbst reichen von diversen Einfamilienhäusern, Landstraßen, einem Diner oder einer Bibliothek, die allesamt weder unhübsch noch irgendwie besonders eindrucksvoll sind, bis hin zur atmosphärischen Paralleldimension mit ihren grellen Farben und schwebenden Gegenständen. Ab und an flickert und flackert es zwar gehörig, und leider nicht nur beabsichtigt, um die Atmosphäre zu bedienen, dafür stimmen der Sound und das Voice Acting.
Weit mehr Liebe hätte man indessen in die Umsetzung des Spielkonzepts selbst stecken können: Nicht nur ist oft unklar, durch welche Schattenbereiche man ungestraft laufen kann, während andere einen in Sekundenschnelle umbringen, auch die interagierbaren Objekte in der Umgebung sind nicht einheitlich gestaltet: So kann ein und derselbe Schrank in einem Raum geöffnet werden, während er im nächsten nicht anwählbar ist, und der Marker, der mögliche Interaktionen anzeigt, wird oft erst dann sichtbar, wenn man schon fast mit der Nase daran klebt. Auch ist es schön, dass die meisten Objekte aufgenommen und herumgeworfen werden können – tatsächlich ist dies für einige der Rätsel sogar notwendig –, allerdings bleiben Stühle, Kisten und mehr im Anschluss oft störend mitten im Weg liegen oder hängen nach Würfen in anderen Möbeln oder der Wand fest. Kleinigkeiten, die leider zu unnötigen Frustmomenten führen können.
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Für eingefleischte Horror-Fans
Those Who Remain verspielt ein wenig sein Potenzial. Sowohl das Konzept selbst wie auch die Story dahinter sind spannend und könnten durchaus funktionieren – wären da nicht die zahlreichen Frustmomente, die vor allem auf störende „Kleinigkeiten“ wie schlecht gesetzte Checkpoints oder mühsame Interaktionen mit der Umgebung zurückzuführen sind. Nichtsdestotrotz hatte ich mit Those Who Remain meinen Spaß. Der Titel mag vor allem waschechte Horrorfans ansprechen, die jede interessante Grusel-Story spielen möchten, lohnt sich für diese aber trotz aller Mängel – und das nicht nur wegen des niedrigen Preises.
Those Who Remain
System: PS4, Xbox One, Switch, PC (Steam)
Getestet auf: PS4
Genre: Horror-Adventure
Entwickler/Publisher: Camel 101 / Wired Productions
Erscheinungsdatum: 28. Mai 2020 (PC)
Kira arbeitet bereits seit 2004 für diverse Videospiel- und Entertainment-Magazine, darunter auch die ehemaligen Printmagazine von Gamers.at und consol.at. Leidenschaftliche Zockerin ist sie allerdings schon seit dem Atari 2600 und sie kann sich auch nicht vorstellen, dass sich das jemals ändern wird.