Auf neue Kinoabenteuer aus dem Hause Marvel müssen wir noch eine Weile verzichten. Da kommen neben den Comics neue Videospiele natürlich gerade recht. Crystal Dynamics und Eidos Montréal legen derzeit letzte Hand an Marvel’s Avengers, welches am 4. September erscheinen wird. Wir durften schon einmal einen Blick in die Beta werfen.
Die Idee hinter Marvel’s Avengers ist so simpel wie genial, und man fragt sich, warum vorher noch keiner darauf gekommen ist: Die populären Avengers zusammen in einem Spiel, das neben einer Story-basierten Singleplayer-Kampagne auch einen Online-Multiplayer bietet, scheint wie das Erfolgsrezept schlechthin. Mit dem Start der Beta am 7. August präsentierte Publisher Square Enix den Spielern den derzeitigen Stand ihres neuen Titels und bot bereits Einiges an Content, und der schon früher gezeigte Prolog, bei dem wir die Kontrolle über Thor, Iron Man, Hulk, Captain America und abschließend Black Widow übernehmen, war dabei nur der Auftakt. Zur Story kommen wir später, aber nach einem Zeitsprung zeigt Marvel’s Avengers weitere Aspekte seines Gameplays.
Gemeinsam sind wir stark
Auf dem Multiplayer liegt ein ebenso großer Fokus wie auf dem Singleplayer, das war bereits nach den ersten Presseberichten klar. Was ja auch Sinn macht, schließlich sind die Avengers ein Team. Spielerisch zeigt sich dies in verschiedenen Koop-Missionen, die mal in den weitläufigen „War Zones“ und mal etwas kompakter in den „Drop Zones“ stattfinden. Wem jetzt Spiele wie Destiny oder Anthem in den Sinn kommen, der denkt in die richtige Richtung. Die zuweilen etwas generische Natur dieser Games versucht man bei Marvel’s Avengers mit der zugkräftigen Lizenz aufzufangen. Aber klappt das auch?
Bedingt, denn nach wenigen Stunden Spielzeit offenbart das Spiel einige Gameplay-Mängel. Schnell stellt sich Routine ein, wenn man mit den nicht sehr abwechslungsreichen Schlagkombos eine generische Gegnerwelle nach der nächsten über den virtuellen Jordan schickt. Zwar haben die Helden und Heldinnen alle unterschiedliche Fähigkeiten, im Endeffekt stürmt man aber doch immer in den Nahkampf, weil der am schnellsten die Gegner in die Knie zwingt.
Lob verdient jedoch, dass jede Figur über ihre charakteristischen Attacken verfügt. Der Hulk erzeugt Schallwellen durch Klatschen, Black Widow nutzt diverse Gadgets, Iron Man kann kurzerhand vom Boden abheben – das ist Liebe zum Detail. Schade nur, dass sich die Moves nicht wuchtig und unterschiedlich genug anfühlen. Ob ich nun mit Cap oder dem Hulk einen Söldner vermöbele, merke ich am Pad nicht wirklich. Wenn man mit Thor Mjölnir wirft und ihn dann in seine Hand zurückruft, denkt man unweigerlich daran, wie viel besser sich das bei Kratos und seiner Axt in God of War angefühlt hat. In Kombination mit der leicht trägen Steuerung und dem etwas behäbigen Spieltempo werden die Kämpfe leider recht schnell langweilig. Hieran sollte man bis zum Release (und darüber hinaus) definitiv noch arbeiten.
Und warum macht man das alles? Genau, für Loot. Loot, den wir uns hauptsächlich aus den diversen herumstehenden Kisten holen und dessen Zweck meist erst auf den zweiten Blick ersichtlich ist. Wozu sammele ich Nanomaschinen und was genau machen diese überhaupt, wenn man sie dem Hulk injiziert? Kram einsammeln, nur um ihn eingesammelt zu haben, ist leider nicht besonders motivierend. Wenn Eidos das Kampfsystem und die Ladezeiten noch durch Patches aufpolieren kann, dürfte Marvel’s Avengers als Multiplayer-Titel aber durchaus Potential haben.
Der A-Day – Was ist das eigentlich?
Das Spiel startet auf der Golden Gate Bridge, die gerade von den Söldnern des Taskmasters angegriffen wird, als die Avengers der Weltöffentlichkeit ihren neuen Heli-Carrier präsentieren. Während sich Thor, Hulk, Iron Man und Black Widow der Gegnerhorde erwehren, versucht Cap indessen, an Bord der fliegenden High-Tech-Festung zu retten, was zu retten ist. Doch die Versuche schlagen fehl und eine gigantische Explosion reißt etliche Zivilisten in den Tod und verseucht obendrein San Francisco.
Im Nachspiel des Events gilt Captain America als verschollen und die Avengers werden aufgelöst. Jahre nach der als „A-Day“ bekannten Katastrophe sind Superhelden nun gesetzlich verboten und werden verfolgt. Comic-Kenner können es sich so vorstellen, dass es nun allen Menschen mit besonderen Fähigkeiten so ergeht wie den X-Men. In dieser Welt übernehmen wir die Kontrolle von Kamala Kahn (Ms. Marvel), die sich mit Dr. Bruce Banner auf die Suche nach dessen ehemaligen Teamkollegen macht.
Die Story der Beta von Marvel’s Avengers macht Lust auf mehr. Von ihrem seltsamen Kostüm abgesehen, ist Ms. Marvel ein guter Charakter mit Fähigkeiten, welche sehr an Reed Richards von den Fantastic Four erinnern. An ihre und die Fähigkeiten des Hulks führt uns das Spiel in den ersten Stunden gut heran, wobei es allerdings schnell an die erwähnten Limitierungen in Sachen Kampfsystem stößt. Bedauerlich, denn die ruhigen Passagen und die unterhaltsamen Zwischensequenzen versprechen vielleicht keine bahnbrechende, aber doch zumindest eine solide Singleplayer-Kampagne.
Nicht wie im Film
Es war früh klar, dass Robert Downey Jr., Scarlett Johansson, Chris Evans, Chris Hemsworth und Mark Ruffalo ihre Rollen aus dem MCU für dieses Spiel weder synchronisieren noch ihre Gesichter dafür zur Verfügung stellen würden. Das hat die Entwickler aber offensichtlich nicht davon abgehalten, die Charaktere des Spiels so nahe, wie eben ohne das Mitwirken der Darsteller möglich, an ihre filmischen Vorbilder anzulehnen. Einige Spieler wird das ob der so erzeugten Vertrautheit freuen, unglücklicherweise sorgt es aber auch dafür, dass die bekannten Helden im Spiel weit weniger glänzen als Charaktere wie beispielsweise Ms. Marvel, die noch kein MCU-Gegenstück haben. Diese wirken wesentlich natürlicher. Die Leistung der Sprecher liegt indessen durchwegs im Mittelfeld, mit einigen Ausreißern nach oben.
Grafisch geht der Titel in Ordnung und da es eine Beta ist, wird bis zum Release sicher noch Einiges passieren. Kantenflimmern, Clippingfehler und eine bei großen Gegnermengen in die Knie gehende Framerate sollte man 2020 bei einem AAA-Titel wirklich nicht mehr bieten. Positiv fallen dafür einige schöne Gebiete im Singleplayer und die Animationen der Helden auf. Denn auch wenn sie sich im Kampf alle recht ähnlich spielen, so haben die Macher doch Wert auf Details gelegt. Die Marvel-Lizenz ist ohnehin das größte Ass, das Marvel’s Avengers im Ärmel hat. Für eine gewisse Weile macht es einfach großen Spaß, mit dem Lieblingshelden Gegner zu verdreschen und etliche Easter Eggs zu entdecken. Es steht nur zu bezweifeln, dass man alleine damit die Spieler langfristig fesseln kann. In einem Monat wissen wir mehr.
Zocker seit Game Boy Tagen, als ihn Mystic Quest und Metroid II in fremde Welten entführten. Musikliebhaber und Film-Nerd mit Hang zum kreativen Schreiben. Tobt sich auch mit eigenen Texten über Filme, Musik und Games auf der eigenen Seite aus, die über das WordPress-Symbol hier drunter zu erreichen ist.