Was hat mittlerweile zwölf Einträge, kein einziges Spin-off und doch eine Fanbase, die gespannt auf Teil 4 wartet? Richtig: Kingdom Hearts. Müssten wir einen Preis für das ungewöhnlichste Franchise-Design einer Gaming-Serie vergeben, dann hätte das Action-RPG aus dem Hause Square Enix und Disney garantiert die Nase vorne. Aber Moment mal – sagten wir gerade Action-RPG? Nix da! Mit Teil 12 aka Melody of Memory geht Kingdom Hearts nun auch in vollkommen neue Genre-Richtungen und präsentiert uns das erste Rhythmusspiel der Reihe. Also ran an die Buttons und losgerockt …
Mini-Game-Paradies
Mini-Games in Spielen sind so eine Sache – manche lieben sie und können gar nicht genug davon bekommen, andere halten sie für die größte Seuche, die die Videospielwelt je hervorgebracht hat. Je nachdem, zu welcher Gruppe ihr gehört – oder wo auf der langen Strecke zwischen den beiden Extremen – ihr euch wiederfindet, wird euch wohl auch Kingdom Hearts: Melody of Memory gefallen.
Das Spiel versetzt euch einmal mehr in die Fußstapfen der bekannten Charaktere der Reihe, und zwar in Form von vier Teams, die ihr nach und nach freischaltet und ab Erhalt frei auswählen könnt: Da wäre zunächst mal Team Classic mit Sora, Donald und Goofy, Team Days mit Roxas, Axel und Xion, Team BBS mit Aqua, Terra und Ventus sowie Team 3D mit Riku und seinen zwei treuen Dreameatern Meow Wow und der Komory Bat.
Das Spiel selbst lebt vom großartigen Soundtrack der Reihe und macht diesen auch zum Star des Geschehens: Auf Notenbahnen, die euch durch aus allen vorigen Teilen bekannte Levels führen, begegnet ihr diversen Heartless, Unversed, Nobodies und mehr und müsst diese per zeitgerechten und zur Melodie passenden Knopfdrücken ausschalten. L1, R1 sowie X sind dabei (auf PS4) die Standardangriffe, per Dreieck-Taste löst ihr Spezialfähigkeiten aus, mit Kreis wird gesprungen und geglitten und auch die beiden Analog-Sticks kommen zum Einsatz.
Schafft ihr es, in einem Level genügend Treffer zu landen und somit das Ende des Songs zu erreichen, ist dieses abgeschlossen. Um auf Dauer weiterzukommen, gilt es aber nicht nur, jedes Level zu bewältigen, sondern auch jeweils drei Missionen pro Song zu absolvieren, die vom Erreichen gewisser Punktezahlen über das Ausschalten einer gewissen Anzahl an Gegnern bis hin zum Erzielen besonderer Genauigkeits-Ratings reichen. Jede abgeschlossene Mission gibt euch einen Stern; jeweils eine gewisse Anzahl an Sternen öffnet Türen zu neuen Abschnitten auf der Weltkarte der Weltentour – und so spielt ihr euch durch die besten Songs und Locations der gesamten Kingdom Hearts-Reihe, immer weiter in Richtung Ende von KHIII und damit dem neuen Story-Teil, denn wie eingangs schon angedeutet: In Kingdom Hearts zählt im Grunde jeder Teil zur Hauptstory.
The Spin-off that never was
Für all jene, die die letzten Jahre ihres Lebens nicht damit verbracht haben, stetig am Ball zu bleiben, was den Story-Verlauf der Kingdom Hearts-Reihe anbelangt, zunächst eine kurze Erklärung: Obwohl es bislang offiziell erst drei Hauptteile im Franchise gibt, ist es seit jeher so, dass jeder Teil der Serie, ob durchnummeriert oder mit so klingenden Titeln wie 358/2 Days, Birth By Sleep oder Union X (ausgesprochen Union Cross) versehen, tatsächlich einen wichtigen Teil zur fortlaufenden Story beiträgt. Wer ein Spiel auslässt, wird sich bereits im folgenden fragen, was gerade passiert, wer diese neuen wichtigen Charaktere sind und warum jeder zweite Bösewicht der Reihe Xehanort – oder so ähnlich – heißt. Mit den Sammlungen Kingdom Hearts 1.5, 2.5 und 2.8 bzw. der Gesamt-Kollektion The Story So Far hat man auf der (gerade noch) aktuellen Konsolenversion zumindest ein Zugänglichkeitsproblem gelöst: Die Reihe existierte bis dato nämlich nicht nur verteilt über fast ein Dutzend Spiele, sondern auch über fast ein halbes Dutzend Systeme. Wer gerade erst einsteigt, darf nun aber alles auch auf PS4 spielen bzw. zumindest als in der Sammlung enthaltenes Video nachschauen. Noch schnell Kingdom Hearts III samt DLC nachgesetzt, und schon seit ihr bereit für Melody of Memory.
Nach all den Titeln hilft es, alles zur Erinnerung noch mal Revue passieren zu lassen, bevor wir mit dem nächsten, bereits am Ende von KH III angeteaserten Hauptserien-Teil in einen neuen Story-Arc starten dürfen – und genau das tut Kingdom Hearts: Melody of Memory den Großteil des Spiels über. Aus der Perspektive der frisch gebackenen Schlüsselschwertkämpferin Kairi erlebt ihr die gesamte Geschichte von Kingdom Hearts über Story-Zusammenschnitte nochmals nach. Wer die Spiele noch nicht kennt, wird aus den Videos alleine zwar nicht schlau werden, als Gedächtnisauffrischung oder nostalgischen Rückblick machen sie sich aber durchaus gut.
Am Ende des musikalischen Abenteuers wartet dann auch noch das, worauf wir alle wirklich hingespielt haben: Rund 20 Minuten neue Story-Sequenzen, die uns das Ende des letzten Haupttitels (sowie seines DLCs) ein wenig klarer machen und zudem weitere Hinweise auf die Zukunft der Serie streuen. Wer Kingdom Hearts: Melody of Memory rein wegen des Plots spielt, könnte ob der Kürze und Spärlichkeit der neuen Infos etwas enttäuscht sein, aber darum geht es im Titel nicht so wirklich – hier sollen der Soundtrack gefeiert und die Freude zur Musik ausgelebt werden.
Rhythmusspiel mit Rollenspielelementen
Wie nun wieder? Ja, liebe Leser, Kingdom Hearts ist eben komplex – und das sogar dann, wenn es um so einfache Dinge wie ein Rhythmusspiel geht. Das beginnt schon beim Hauptmodus, der vorhin beschriebenen Weltentour: Auch wenn das Prinzip im Grunde immer gleich bleibt, finden sich hier gleich drei Varianten des rhythmischen Knopfdrückens: die gewöhnlichen Levels, Boss-Stages sowie Memory Dive Stages, deren größter Unterschied darin liegt, aus welcher Perspektive und in welcher Form die zu treffenden Noten bzw. Triggerpunkte auf euch zukommen.
Um sowohl die Komplexität wie auch die Geschwindigkeit der Songs an euren musikalischen Skill-Level anzupassen, könnt ihr jederzeit zwischen drei Schwierigkeitsgraden wählen: Beginner, Standard und Proud. Je höher dieser Schwierigkeitsgrad, desto mehr Noten müsst ihr (gleichzeitig) treffen, umso bessere Belohnungen warten bei Abschluss aber auch auf euch. Einer der größten Kritikpunkte hierbei ist jener, dass die Mappings der Songs, also wie gut die gewählten Aktionen, die ausgeführt werden müssen, zur tatsächlichen Melodie passen, stark variieren: Während man einige Songs wirklich rein intuitiv spielen kann, auch auf höheren Schwierigkeitsgraden, fühlen sich andere Levels unglaublich off-beat an. Zudem kommt, dass gerade in den höheren Schwierigkeitsstufen gelegentlich so viel auf einmal am Bildschirm passiert, dass man Schwierigkeiten hat, allem auch nur visuell zu folgen – oder gar hinter Charakteren zu erkennen, welche Aktionen als nächstes verlangt werden. Alles in allem funktioniert die Steuerung jedoch, wie sie soll, und nach ein paar Versuchen hat man üblicherweise auch alles, was man für die Absolvierung wissen muss, zumindest auswendig gelernt – im Vergleich mit Genre-Perlen wie Beat Saber und Co. fehlt es hier allerdings leider eindeutig an Feinschliff.
Anders als beispielsweise in Beat Saber, darf man in Kingdom Hearts: Melody of Memory dafür aber nicht nur mehrere Modi abseits der Hauptstory starten – von der Songauswahl, die euch noch mehr Freiheit im Schwierigkeitsgrad lässt, etwa durch Ein-Button-, aber auch Profi-Settings mit Extra-Aktionen, über die VS Battles, in denen ihr on- oder offline gegen KI-Gegner sowie andere Spieler antreten dürft, bis hin zum Couch-Coop-Modus –, man blieb auch seinen Rollenspiel-Wurzeln treu und integrierte eine umfangreiche Sammel- und Museumsfunktion. So erhaltet ihr nach jedem Song in allen Modi diverse Belohnungen, von Karten und Songs für die Songsauswahl bis hin zu Splittern, Steinen, Potions und mehr. Die Items sind dabei besonders interessant, denn diese dürft ihr nicht nur im Story-Modus nutzen, um euch Vorteile in besonders schwierigen Levels zu verschaffen, ihr könnt damit auch neue Dinge für eure Kollektion synthetisieren, um sie anschließend im Museum zu bewundern. Dieses kleine Extra-Feature ändert zwar nichts am Gameplay per se, sorgt jedoch für die nötige Motivation, um auch nach Beenden der Welttour noch regelmäßig rhythmisch in die Tasten zu hauen.
Musikalisch anders
Kingdom Hearts: Melody of Memory versetzt mich in ein kleines Dilemma: Ich bin ein riesiger Fan der Reihe, jedoch üblicherweise absolut kein Freund von Mini-Games. Rhythmusspiele sind dabei für gewöhnlich die Ausnahme von der Regel – und genau das sorgte letztendlich auch dafür, dass ich mich trotz allem auf Melody of Memory gefreut habe. Das Spiel an sich ist dabei auch größtenteils schön umgesetzt: Die Modi sind ausreichend, die Songauswahl gelungen und dass der Kingdom Hearts-Soundtrack aus der Feder von Yoko Shimomura (und natürlich den Disney-Komponisten) ganz große Klasse ist, ist längst kein Geheimnis mehr. In der Umsetzung kämpft der Titel dann allerdings doch mit einigen Problemen, die ihn weit hinter andere Genre-Vertreter stellen, allen voran das eher maue Mapping vieler Songs sowie der fehlende Online-Koop, der für langfristigeren Spielspaß mit Freunden gesorgt hätte – mit Fremden zu spielen, mit denen man nicht mal richtig chatten kann, hat einfach nicht den gleichen Appeal. Hinzu kommt, dass das, was Kingdom Hearts immer schon ausgemacht hat – seine Story –, hier einmal mehr gehörig zu kurz kommt, auch wenn der Eintrag, ebenfalls serienüblich, dennoch Bedeutung für den weiteren Plot-Verlauf hat. Ein paar neue Erkenntnisse zwischen den Recaps hätten hier ebenfalls geholfen. Alles in allem hatte ich aber dennoch Spaß mit Melody of Memory und wer Mini-Games liebt, für sein Leben gerne Rhythmusspiele zockt oder von Songs wie Simple and Clean, Lazy Afternoons oder The 13th Dilemma sowieso nie genug bekommen kann, ist hier auch bestens aufgehoben.
Kingdom Hearts: Melody of Memory
Systeme: PS4, Xbox One, Switch
Getestet auf: PS4 Pro
Genre: Rhythmusspiel mit Rollenspielelementen
Entwickler / Publisher: Square Enix
Erscheinungsdatum: 13. November 2020
Kira arbeitet bereits seit 2004 für diverse Videospiel- und Entertainment-Magazine, darunter auch die ehemaligen Printmagazine von Gamers.at und consol.at. Leidenschaftliche Zockerin ist sie allerdings schon seit dem Atari 2600 und sie kann sich auch nicht vorstellen, dass sich das jemals ändern wird.