Morgens, 6:30 Uhr: Meeting mit Co-Trainer zur Vorbesprechung des heutigen Trainings, 8:30 Uhr: Rapport beim Club-Vorstand, um die aktuelle herrschende Negativ Serie zu bereden. Vor dem Mittagessen die Trainingsfortschritte der Mannschaft beobachten, schnell einen Snack aus der Kantine holen, und schon geht es weiter mit der Pressekonferenz vorm bevorstehenden Spiel, bei dem die anwesenden Reporter kein gutes Haar an der geleisteten Arbeit lassen. Bevor es spät abends ins Bett geht, wird noch ein Blick in den Bericht der Beobachter geworfen und vorm Einschlafen noch ein paar Highlight-Bänder möglicher Stürmer angesehen. So kann der Arbeitstag eines Cheftrainers im Fußball aussehen, und mit Segas Football Manager 2021 könnt ihr ihn nun auch selbst erleben.
Lange ist es still gewesen um gute Fußball-Manager-Simulationen: Mit Wehmut erinnerten wir uns an die alte Anstoss-Reihe zurück, und fragten uns, wieso diese Spiele im Sumpf der Zeit verloren gegangen sind. Obwohl es den Football Manager schon seit dem Jahr 2008 gibt, war er bis zu seiner 2020er-Version eher eine Randerscheinung. Dies änderte sich nun jedoch schlagartig: Football Managers 2021 lässt den digitalen Fußball wieder hochleben.
Der Start einer erfolgreichen Karriere
Eine gute Karriere beginnt natürlich mit dem perfekten Aussehen. Fast wie in einem Rollenspiel, könnt ihr euren Avatar in Football Manager 21 frei gestalten, wobei sich Haare, Geschlecht, Größe und so weiter individuell anpassen lassen. Für den besseren Ich-Bezug haben die Entwickler zudem die Möglichkeit eingebaut, euer eigenes Antlitz mittels eingelesenem Bild oder direkt über die Webcam ins Spiel zu transferieren. Hierfür werden auf der Aufnahme die Positionen diverser Gesichtsmerkmale markiert und der Algorithmus erstellt daraus dann euren personalisierten Avatar. Umso besser das Foto ausgeleuchtet und umso deutlicher die Konturen erkennbar sind, umso schöner wird dabei das Ergebnis, wie wir feststellen mussten: In unseren ersten vier Versuchen hatten wir hierbei nämlich alles von Alien bis Bigfoot, aber nichts, das mir (so wirklich) ähnlich sah.
Hat man sein Alter Ego dann doch noch ins Spiel bekommen, bestimmt man noch den Schwierigkeitsgrad und die Ausgangslage. Ihr könnt dabei mit einem Job bei eurem Lieblingsverein starten oder auf Jobsuche sein, und auch eure bereits erworbene Trainerlizenz kann gewählt werden: Von Kreisliga bis International steht alles zur Auswahl. Solltet ihr ohne Job starten, so beginnt ihr damit, die Jobbörse nach attraktiven Angeboten zu durforsten, um euren ersten Arbeitgeber zu finden. Neben Vereinstrainer oder Sportdirektor könnt ihr auch Nationaltrainer werden – aber glaubt nicht, dass ihr so einfach engagiert werdet, denn schließlich wollen die Verantwortlichen nur den bzw. die Beste für ihr Team. So kann es sein, dass ihr euch einem knallharten Job-Interview stellen müsst, bevor ihr wirklich loslegen dürft.
Der stressige Tagesablauf
Die Oberfläche des Football Managers 2021 ist sehr funktionell gestaltet, was auf den ersten Blick beinahe etwas langweilig aussieht, sich aber schnell als gute Design-Entscheidung entpuppt: Bereits kurz nach Beginn werdet ihr mit so viel Berichten, Aufgaben und Einstellungen konfrontiert, dass es kaum möglich wäre, diese Fülle an Informationen hübscher zu verpacken: Am linken Bildschirmrand findet ihr das Menü mit zahlreichen übergeordneten Kategorien. Der große Übersichtlichkeitsvorteil hierbei ist, dass in jedem Job zunächst die Basiskategorien aufgelistet werden, während erst darunter die teamspezifischen Optionen zu sehen sind. So müsst ihr euch nicht mit jedem Stellenwechsel an ein neues Interface gewöhnen.
Frisch angekommen im Team geht es dann auch gleich ans Eingemachte: Die erste Pressekonferenz steht an, in der ihr euch geschickt mit den Fragen der Reporter auseinandersetzen müsst. Hierfür gibt es immer eine Auswahl an Antworten, aus denen ihr wählen könnt. Es gilt, die Reporter von eurem Plan zu überzeugen, denn schließlich sind es die Medien, welche abseits des Feldes die Meinung der Fans am meisten beeinflusst.
Trotz aller Berichterstattung müsst ihr natürlich aber auch Leistung auf den Platz bringen. Hierfür stehen euch eine Menge an Rädchen, an denen ihr drehen könnt, zur Verfügung. Natürlich stehen hier in erster Linie taktische Maßnahmen parat, angefangen von der Aufstellung über das Spielsystem und welche Spielart ihr wählt bis hin zu wer Freistöße, Eckball und so weiter schießt. Taktisch bleibt kaum eine Option offen, die man nicht einstellen könnte. Wenn ihr einen Liga-Club trainiert, kann auch das Training geplant werden – beginnend beim kompletten Mannschaftstraining bis hin zu individuellen Trainings für einzelne Spieler. Damit aber nicht genug, denn letztendlich liefert euch auch die Scouting- und Transfer-Abteilung immer wieder Informationen oder kann beauftragt werden, neue Talente zu finden, während ihr Testspiele plant. Kurzum: Es gibt viel zu tun. Und obwohl es Unterschiede je nach aktueller Stelle gibt – ein Nationaltrainer kann zum Beispiel keinen Einfluss auf das tägliche Training seiner Leute nehmen –, bleibt in jedem Fall verdammt viel Arbeit über.
Damit ihr deshalb nicht überfordert werdet und gleich ins digitale Burnout lauft, können Aufgaben auch delegiert werden. So habe ich in meiner Test-Session beispielsweise den Trainingsplan gerne an meinen Co-Trainer ausgelagert. Sind erst mal alle Einstellungen erledigt und die Woche steuert ihrem Ende entgegen, geht es ins eigentliche Match. Sollten Taktik oder Aufstellung bis zum Spieltag noch nicht feststehen, werdet ihr noch mal drauf hingewiesen und eine Aufstellung gefordert. Direkt im Anschluss geht es in die Kabine für eine letzte Ansprache vorm Startschuss. Während des Matches dürft ihr eure Spieler durch Zurufe beeinflussen, aber auch zwischendurch Sportler auswechseln und die Taktik anpassen. Das Spiel selbst läuft in 3D-Ansicht ab und präsentiert euch eine Art Highlight-Video. In der Pause könnt ihr wiederum eine kleine Ansprache halten, um eure Mannschaft noch mehr zu motivieren.
Sehr nüchtern betrachtet
In Sachen Optionen und Möglichkeiten bietet der Football Manager 2021 alles, was das Managerherz begehrt, doch rein optisch ist alles eher schlicht und steril gehalten. Am besten lässt sich der Stil wie eine Anhäufung von Excel-Tabellen beschreiben. Diese sind zweckmäßig und übersichtlich, aber es fehlt der gewisse Charm. Schön gezeichnete Büros mit liebevollen Details wie in einigen Manager-Simulationen der Vergangenheit sucht man vergebens. Abseits der Spiele gibt es zudem so gut wie keine Animationen, was das Spiel sehr langweilig wirken lässt. Doch nicht nur das wird dem Spiel zum Verhängnis, ein Tutorial sucht man ebenfalls vergebens; die einzige Hilfestellung im Spiel ist das Angebot, nur die wichtigsten Funktionen selbst übernehmen zu müssen und alles andere zu delegieren. Nur hilft das zu Beginn nicht, wenn man noch keinen Plan vom User-Interface hat. Sollte man Hilfe brauchen, wird man nur auf das digitale Handbuch verwiesen, in dem man sich zwischen all den Texten erst zurechtfinden muss. Da wäre Learning-by-doing schon einfacher. Selbst die eingebundenen Lizenzen einzelner Ligen – auch ein Klub aus Österreich ist mit dabei – helfen nur wenig dabei, die anfänglichen Schwierigkeiten motivierend wettzumachen und einen trotz aller grafischen Schwächen dauerhaft an den Titel zu fesseln.
Großartige Simulation mit eintöniger Präsentation
Der Football Manager 2021 ist in seinen Grundfesten beinahe das perfekte Manager-Spiel. Ihr dürft so gut wie alle notwendigen Aufgaben in den gebotenen Stellen übernehmen und jede Menge Anpassungen an allen möglichen Ecken und Enden vornehmen – lediglich Verhandlungen mit Sponsoren wurden ausgespart. Doch leider isst das Auge mit und es gäbe so viele Instanzen im Spiel, die durch Animationen oder die Darstellung von Räumlichkeiten viel an Atmosphäre gewonnen hätten. Selbst die Spielanimationen wirken leider ein wenig wie ein Playstation One FIFA, was schlicht nicht mehr zeitgemäß ist. Auch der Einstieg in die Spielmechanik hätte durch ein Tutorial oder einen angeleiteten Start wesentlich erleichtert werden können, womit wohl auch eine größer Fanbase angesprochen worden wäre. Verdient hätte es sich der Football Manager 2021.
Football Manager 2021
Systeme: PC (Steam, Epic), Xbox One, Xbox Series X
Getestet auf: PC Ryzen 7 3700k, Radeon 5700XT, 32 GB RAM
Genre: Manager-Simulation
Entwickler / Publisher: Sports Interactive / Sega
Erscheinungsdatum: 10. November 2020
Der Bastler, der Techniker, der Zocker – In die goldene Zeit des Videospiels hinein geboren, ließ ihm die Technik in und um Videospiele keine ruhige Minute mehr. Dies führte zu vielen hingebungsvollen Stunden voller Spaß, Frust und Leidenschaft. Durch glückliche Fügungen stolperte er in den Games Journalismus, wodurch es ihm ermöglicht wird diese Erfahrungen weiter zu geben.