Seit dem Release von Final Fantasy VII Remake ist die Story rund um Cloud, Tifa, Aerith, Sephiroth und Co. wieder in aller Munde – doch wie kam es überhaupt dazu? Stammt wirklich die gesamte Story des Titels, mit allen Aspekten, rein aus der Fantasie seiner Entwickler oder gab es doch äußere, mythologische Einflüsse, die maßgeblich zu ihrem Entstehen beigetragen haben. Genau dieser Frage widmet sich der schottische Autor M. J. Gallagher in seinem Buch Norse Myths That Inspired Final Fantasy VII, das nicht nur vertiefende Infos zu Final Fantasy VII sowie interessante Fakten zur nordischen Mythologie bereithält, sondern vor allem auch umfangreiche Interpretationen und Analysen des Autors darüber liefert, wie die nordischen Sagen die Welt und Charaktere von FFVII beeinflusst haben könnten – und an manchen Stellen definitiv haben.
Ein „Sachbuch“ der anderen Art
M. J. Gallagher, der bereits mit Titeln wie Final Fantasy VII Unofficial Novelisation, The Nibelheim Incident, SeeD: The Beginning und auch Werken, die nichts mit bekannten Videospielen aus der Final Fantasy-Welt zu tun haben – wie zum Beispiel sein Roman Axtelera Ray: Rise of Astrone – Aufmerksamkeit erregte, ist laut eigener Angabe nicht nur ein riesiger Fan von FFVII, sondern auch der nordischen Mythologie. So sind jene Fakten, die er über das Spiel und die nordischen Legenden zur Verfügung stellt, genauestens recherchiert und bieten eine wunderbare Informationsquelle – handlich verpackt in einem 238 Seiten langen Buch.
Mit Gallaghers Norse Myths That Inspired Final Fantasy VII erwartet euch allerdings kein Roman, der euch auf herkömmliche Weise in fremde Welten entführt, dafür aber auch kein faktengefülltes Sachbuch, das schon mal an den Geduldsgrenzen eurer Aufmerksamkeit zerrt. Gallagher hat mit seinem Werk – das sich am besten mit einer wissenschaftlichen Arbeit inklusive einer Menge Interpretation vergleichen ließe – eine Kombination aus Fakt und Fiktion geschaffen. So findet ihr auf den ersten Seiten nicht nur eine komplette Zusammenfassung der Inhalte der Compilation of Final Fantasy VII (sämtliche Spin-offs in Form von Spielen, Filmen und Büchern, die in der Welt von FFVII als Prequels oder Sequels existieren), die euren Erinnerungen über die Reihe noch einmal auf die Sprünge helfen, sondern auch vertiefende Informationen zur nordischen Mythologie. Hier treffen Fakten der fiktionalen Welt von FFVII auf jene unserer realen, literarischen Welt aus dem Mittelalter. Dabei wird nicht nur die Weltentstehung in der nordischen Mythologie erklärt, die unter anderem in der Edda zu finden ist, sondern auch die Hintergrundgeschichten darüber, welche verschiedenen Versionen und Varianten es davon überhaupt gibt. Während dieser Zusammenfassungen werden bereits gekonnt sachte Anspielungen und Vergleiche herangezogen, wie die nordische Mythologie die Spielewelt von FFVII inspiriert haben könnte.
Gallagher gelingt es im Laufe seines Buches zudem, stets so abwechslungsreich zu schreiben, dass er nicht zu lange Fakten der nordischen (literarischen) Mythologie preisgibt, ohne sich gleich wieder auf FFVII und die mögliche Verbindung zwischen beiden zu konzentrieren – so wird das Buch selbst für Leser, die in erster Linie an FFVII interessiert sind, nie langweilig oder mühsam zu lesen. Auch M. J. Gallaghers Schreibstil ist flüssig und abwechslungsreich, sodass ihr euch plötzlich 20 Seiten weiter findet, ohne bemerkt zu haben, wie viel ihr bereits gelesen habt.
Fakt und Fiktion
Wie Autor M. J. Gallagher schon betont, handelt es sich bei Norse Myths That Inspired Final Fantasy VII um ein Werk, das seiner eigenen Analyse entstammt und von Square Enix weder lizensiert noch bestätigt wurde. Obwohl es sich bei den meisten Abhandlungen in dem Werk also um subjektive Interpretationen des Autors handelt, tut diese Tatsache jener keinen Abbruch, dass in diesem Buch spannende Verbindungen geknüpft werden, die kaum von der Hand zu weisen sind. Wie dem Klappentext schon zu entnehmen ist, stellt sich Gallagher beispielsweise die Frage, wieso das politische Zentrum des Planeten ausgerechnet Midgar heißt, oder warum Nibelheim als Heimatort des Protagonisten Cloud Strifes gewählt wurde – beides Orte, die in der nordischen Mythologie große Rollen spielen. Auch fragt er sich, welche Parallelen es zwischen Ragnarök (Schicksal der Götter, Weltenuntergang) und der Shinra Corporation (mächtiger Konzern in FFVII) gibt, die bekannterweise ebenso wie die nordischen Welten zu Fall gebracht wird, wie der riesige Vergnügungspark aus FFVII – der Gold Saucer – mit dem nordischen Weltenbaum Yggdrasil in Verbindung stehen könnte oder was es mit Vincent Valentines Limit-Breaks auf sich hat, bei denen er in einen nicht mehr zu steuernden Berserker-Modus verfällt, der mit den Berserkern aus der nordischen Mythologie zu tun haben könnte, die sich ebenso in einen tranceartigen Zustand begaben, um zu unbesiegbaren Kriegern zu werden. All diese Verbindungen sind allerdings erst die Spitze des Eisberges, während noch viele weitere spannende Vergleiche thematische Parallelen zwischen der Welt von FFVII und den nordischen Legenden ziehen.
Interessante Einblicke
Obwohl es sich bei Norse Myths That Inspired Final Fantasy VII um kein offizielles Begleitbuch zum Spiel, sondern zum größten Teil um subjektive Interpretationen von Zusammenhängen zwischen der nordischen Mythologie und FFVII handelt - eben um mögliche Inspirationen für die Welt des Titels -, bietet das Werk spannende Einblicke in beide Themen, die selbst eingefleischten Fans viel Neues bieten können. Offensichtlich ist, dass M. J. Gallagher in beiden Gebieten sehr bewandert ist und entsprechend tief in die Materie geht. Das gesamte Buch ist professionell argumentiert und jeder Vergleich darin faktisch begründet. Ich persönlich habe viele Verbindungen äußerst interessant und nachvollziehbar gefunden, da sie für mich schlüssig klangen. Andere wiederum fielen für mich eher in die Kategorie "Wenn man nach etwas explizit sucht, findet man es auch", waren deshalb aber nicht weniger spannend zu lesen. Eine Sache ist jedoch definitiv Fakt: Gallagher hat eine Menge Herzblut in dieses Projekt gesteckt, was man aus jeder einzelnen Seite dieses Buches herausliest. Und wie der Autor laut eigener Aussage hofft: Ja, es unterhält definitiv beim Lesen.
Norse Myths That Inspired Final Fantasy VII
Autor: M. J. Gallagher
Herausgeber: Nielson Book Services
Genre: Spielebücher, Sagen und Legenden
Seiten: 238 Seiten
Alter: ab 6 Jahren
Erscheinungsdatum: 16. September 2020 (Englisch)
Fremde Welten zogen Jacqueline bereits von frühsten Tagen an in ihren Bann. Schon bevor sie aufgrund ihres kreativen Kopfes 2008 Autorin wurde, waren es Geschichten in Videospielen, Büchern und Filmen – inklusive dort angesiedelter Charaktere –, die ihr Leben maßlos bereicherten. Als Redakteurin ist sie seit 2017 tätig. Jene Games, die zu ihrer größten Leidenschaft gehören, sind Final Fantasy (vor allem VII & XV), Drakengard / NieR, Kingdom Hearts, Assassin’s Creed, Mass Effect, Dragon Age und einige Star Wars-Spiele.