Wenn man mir ein Spiel vorstellt und in der Beschreibung die Worte „Rollenspiel“, „fremder Planet“ und „magische Fähigkeiten“ vorkommen, kann man sicher sein, dass meine Neugierde geweckt ist. So auch bei Outriders. Willkommen auf Enoch – wo sich nicht nur die Charaktere durch holprige Anfänge kämpfen müssen, bevor sie die Action so richtig genießen dürfen.
Steine im Weg
Outriders beginnt wie viele andere Sci-Fi-Abenteuer auch: Die Menschheit hat es wieder einmal geschafft, die Erde zu zerstören, und die letzten Überlebenden flüchten auf einer Weltraum-Arche Richtung neue Heimat, um dort die Pioniere von Menschheit 2.0 zu werden. Unser Ziel in Outriders: Der Planet Enoch, über den wir genug wissen, um anzunehmen, dass er der Aufgabe gerecht wird, aber leider nicht genug, um vorab zu erahnen, wie furchtbar schief das Unterfangen gehen wird.
Um das Abenteuer aber überhaupt starten zu können, müssen wir es zunächst mal ins Spiel schaffen. Obwohl Outriders kein reines Online/Multiplayer-Game ist, ist eine konstante Server-Verbindung nämlich leider Voraussetzung. Oder anders gesagt: Offline spielen ist nicht möglich. Zum Beginn unserer Tests hatten wir hier mit enormen Problemen zu kämpfen, die dafür gesorgt haben, dass wir erst ein paar Tage später so richtig loslegen konnten – und dann leider nicht im Crossplay. Zum Veröffentlichungszeitpunkt dieses Reviews dürften die Probleme jedoch Geschichte sein und alles läuft, wie es soll. Also weiter im Geschehen.
Von einem Albtraum in den nächsten
Zu Beginn des Spiels landen wir zunächst mal als kleiner Stoßtrupp auf Enoch und erledigen ein paar erste Missionen, die die Ankunft der restlichen Menschheit vorbereiten sollen und als Tutorial dienen. Hier lernen wir unsere Waffen zu nutzen – jeweils bis zu drei rüsten wir gleichzeitig aus und können wir dann im Flug wechseln – und uns hinter Deckungen zu verschanzen. Ebenso dürfen wir bereits mit einigen zentralen Charakteren sprechen, die uns – wenig elegant – eine Menge Exposition bieten: Die Erde ist Geschichte, die letzten Tage waren blutig, und diejenigen, die es geschafft haben, ihr zu entkommen, taten dies nicht gerade mit dem Segen jener, die zurückblieben. Aber nun soll alles besser werden – immerhin warten auf der Flores, unserer Arche, nicht nur tausende Menschen in Cryostase, die nach und nach aufgeweckt werden sollen, sondern auch sämtliche technischen Errungenschaften der Menschheit in Datenform.
Natürlich geht eine Mission später aber auch schon alles schief: Ein Sturm zieht auf – wörtlich – und aus dem fremden Paradies wird eine elektrisch geladene Horrorlandschaft, die den Großteil eures Trupps tötet und sämtliche Daten vernichtet. Wir überleben aus einem noch unbekannten Grund, werden aber angeschossen und sicherheitshalber zurück in Cryostase gelegt, bis man uns helfen kann. Als wir schließlich wieder erwachen, ist die neue Welt näher an unseren Erinnerungen an die Erde, als uns lieb ist: Draußen herrscht Krieg. Die Trümmer der Flores liegen rund um uns verteilt, und die Schlachtfelder sind voll von Irren Kämpfern, die ihre Toten grausam zur Schau stellen.
Also kämpfen uns zunächst mal frei – nur um wenige Schritte später von einem Speer durchbohrt zu werden. Was uns töten sollte, erweckt uns allerdings stattdessen zu neuem Leben. Im Spiel wählt ihr an diesem Punkt eine von vier Klassen: Technomancer (Support-Magier), Pyromancer (Damage-Dealer-Magier), Devastator (Tank) sowie Trickster (flinker Melee-Kämpfer). Welche Klasse ihr dabei spielen wollt, könnt ihr ganz eurem Geschmack überlassen. Dank gelungenem Balancing und gut gewählten Fähigkeiten für jede Klasse (insgesamt gibt es jeweils acht, die ihr nach und nach freischaltet – drei können dabei gleichzeitig aktiv sein) lässt sich jede nachteilslos spielen.
Gemeinsam stark
Letztendlich unter, nun… vielleicht nicht Freunden, aber zumindest Leuten, die uns nicht direkt töten wollen, fügen sich die Puzzleteile zusammen: Über 30 Jahre sind seit unserer Landung auf Enoch vergangen, die Menschen kämpfen zwischen mangelnden Ressourcen und den Stürmen sowie unfreundlichen Wesen Enochs ums Überleben, und wir selbst sind ein Altered, ein Wesen, das von den elektrischen Stürmen Enochs nicht getötet, sondern verändert wurde. Der entscheidende Vorteil: Die Transformation kommt mit einem entscheidenden Vorteil: magischen Fähigkeiten. Ab diesem Zeitpunkt startet die Story wirklich und ihr dürft jede Mission alleine oder mit bis zu drei Freunden bestreiten, was wir euch sehr ans Herz legen möchten. Während die Story zwar spannend genug, im Endeffekt aber doch vor allem voll von Klischees und harten Sprüchen ist, macht das Gameplay mit Freunden enormen Spaß.
Outriders ist in erster Linie eine Mischung aus Loot-Shooter und Rollenspiel, bei dem ihr jede Menge Möglichkeiten habt, euren Charakter eurem jeweiligen Spielstil entsprechend anzupassen – von den vielen Waffen und Rüstungsgegenständen samt eigener Effekte bis hin zu den acht klassenspezifischen Fertigkeiten und einem umfangreichen Skill-Tree mit weiteren Optionen. Mit eurem Charakter steigt zudem auch das Weltlevel – bzw. erhaltet ihr die Möglichkeit, dieses anzuheben oder auch wieder abzusenken. Je höher es ist, desto größer die Herausforderungen, aber auch desto besser das erhaltene Loot. Die niedrigeren Levels sind dabei wirklich einfach gehalten und bedürfen kaum wirklicher Taktik, während ihr die höheren wohl vor allem im Multiplayer wirklich genießen können werdet, wenn sich eure Charaktere entsprechend unterstützen und ihre jeweiligen Stärken ausspielen können – was vor allem auch deshalb wichtig ist, da ihr im Spiel bloß heilen könnt, indem ihr nach Klasse unterschiedliche Kampfergebnisse erzielt. So muss der Pyromancer beispielsweise Feuerschaden verursachen, um sich damit zu regenerieren, während der Trickster Gegner im Nahkampf ausschalten muss.
Schatten über Enoch
Auch wenn Outriders vor allem in Sachen Anpassungsmöglichkeiten und Spielspaß zu mehrt so richtig punktet, kommt der Titel auch mit einigen störenden Schattenscheiten: Zum einen wäre da das das Handling. Die Menüführung wurde auf Konsolen nicht komplett auf das Gamepad umgelegt, sondern setzt auf Cursorbewegung mittels Stick, und auch wenn im eigentlichen Kampfgeschehen in Sachen Button-Layout alles gut von der Hand geht, fühlt sich das Zielen und Schießen eher mittelprächtig an: Waffen verziehen, ab und an hat man das Gefühl, man sollte treffen, tut dies aber nicht, Deckungen wollen einen immer wieder nicht so gehen lassen, wie man das gerne täte, und dann schießen Gegner auch noch durch Wände hindurch und treffen, obwohl sie das nicht sollten.
Die Optik von Enoch selbst ist hübsch, wirkt aber für einen Titel im Jahr 2021 nicht ganz up to date. Wirklich auffallend sind aber vor allem die häufigen und recht langen Ladezeiten. Der Sound der Waffen und Umgebungen klingt gut und auch die Qualität der Sprecher ist sowohl auf Deutsch wie auch Englisch in Ordnung. Leider sind die Dialogzeilen selbst oft recht cringeworthy: Überdrüber harte Jungs und Mädels, die uns statt Emotion bloß den (verbalen) Finger zeigen, sind mittlerweile ein wenig überholt.
Gemischte Gefühle
Das Setting von Outrider sollte eigentlich absolut mein Ding sein: Ein fremder Planet, magische Fertigkeiten und ein Setting, das irgendwo zwischen ernstem Sci-Fi und humorvollem 80s-Film angesiedelt ist. Tatsächlich gibt es auch vieles, das ich an dem Titel wirklich mag: Das Kampfsystem ist simpel gestrickt, bietet aber massig Anpassungsmöglichkeiten, die mit ein wenig Rumspielerei dafür sorgen, dass man sich auf Enoch tatsächlich wie der Halbgott, für den man gehalten wird, fühlt. Insbesondere mit Freunden machen die Missionen in der fremden Welt jede Menge Spaß und die rund 30-35-stündige Kampagne geht wie im Flug vorüber. Auf der anderen Seite stehen jedoch die eher mittelprächtige Story, die trotz so manchem coolen Twist schlicht immer wieder viel zu dick aufträgt, und einige technische Probleme – auch abseits der bereits geklärten Connectivity-Issues. Insbesondere die Ladezeiten und das weniger gelungene Handling mindern immer wieder den Spielspaß. Alles in allem ist Outriders dennoch empfehlenswert – vor allem mit Freunden im Gepäck.
Outriders
Systeme: PS4, PS5, XBox One, XBox X|S, PC, Google Stadia
Getestet auf: PS4 Pro
Genre: Action-RPG
Entwickler / Publisher: People Can Fly / Square Enix
Erscheinungsdatum: 1. April 2021
Kira arbeitet bereits seit 2004 für diverse Videospiel- und Entertainment-Magazine, darunter auch die ehemaligen Printmagazine von Gamers.at und consol.at. Leidenschaftliche Zockerin ist sie allerdings schon seit dem Atari 2600 und sie kann sich auch nicht vorstellen, dass sich das jemals ändern wird.