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Nachgeholt: Cris Tales im Test

Die Gegenwart ist die Vergangenheit der Zukunft – so oder so ähnlich kann man die Classic-JRPG-Hommage Cris Tales in nur einem einzigen Satz zusammenfassen. Gespickt mit jeder Menge Nostalgiefeeling, versetzt uns der Titel gleich in mehrfacher Hinsicht in der Zeit zurück, erinnert uns aber auch daran, warum sich das Genre längst weiterentwickelt hat.

Gegen die Zeit

Die Geschichte von Cris Tales beginnt im Waisenhaus von Narim, wo wir Crisbell, ein junges Waisenmädchen, kennenlernen. Das Waisenhaus wird von Mother Superior geleitet, die über die Jahre hinweg zu einem richtigen Mutterersatz für Crisbell geworden ist. Deshalb will das Mädchen diese mit einer wunderschönen Rose aus dem Garten überraschen, als sie beim Pflücken auf den sprechenden Frosch Matias trifft – ein Zusammentreffen, das Crisbells komplettes Leben verändert. Von Matias und dem im Wald lebenden Zeitmagier Wilhelm, zu dem er sie bringt, lernt Crisbell, dass sie ebenfalls Zeitmagie nutzen kann – und dass sie diese im Kampf gegen die böse Zeitkaiserin und ihre Goblins nutzen muss.

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Eine Hommage ans Genre

Cris Tales wird von den Entwicklern gerne als Hommage an klassische JRPGs angepriesen und die Einflüsse sind deutlich sichtbar: Grafisch bekommen wir eine Mischung aus hübscher Manga- und Cel-Shading-Grafik geliefert, und ganz in Retro-Manier sehen wir das Geschehen in Städten und Kämpfen 2D-Side-Scrolling-Ansicht, während wir unseren Charakteren auf der Landkarte in Top-Down-Perspektive folgen. Die Umgebungen und Modelle spiegeln dabei wunderbar den Widerspruch zwischen der kindlichen Welt der noch unschuldigen Crisbell und den Gefahren, die auf sie hereinbrechen, wieder. Dies gilt auch für die musikalische Untermalung samt Orchestersound. Egal ob schnelle, aufgeregte Streicher einen Kampf begleiten oder harmonische Harfen und Glockenspiele einen friedlichen Wald erhellen, der Soundtrack unterstreicht stets passend das Geschehen. Cris Tales kommt zudem mit gelungener Sprachausgabe – allerdings nur auf Englisch. Dafür gibt es gut lokalisierte Texte auf Deutsch.

Doch das alles ist nur die Hülle dessen, was das Spiel zu bieten hat. Der Kern ist ein neo-klassisches JRPG, bei dem schnell Nostalgiefeeling aufkommt: Man läuft von Aufgabe zu Aufgabe, bestreitet zufällige wie auch geplante Kämpfe und wird durch die gewonnene Erfahrung stärker. Die Auseinandersetzungen selbst sind rundenbasiert mit unterschiedlicher Initiative, die ihr über eine Portraitleiste mitverfolgen könnt, während als Aktionen Angriffe, Spezialfähigkeiten und Magie zur Auswahl stehen.

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Die Zeit ist nur ein Raum, der bewegt werden will

Bis hier hin alles aller Hut, doch gibt es da noch das Element der Zeitmagie, das Cris Tales von seinen Genrekollegen abhebt. Einen Großteil des Spiels habt ihr durch diese in Städten und Kämpfen einen dreigeteilten Bildschirm, welcher zu euerer Linken immer die Vergangenheit, zu eurer Rechten die Zukunft und mittig die Gegenwart anzeigt. Ihr könnt dabei aber nicht nur alle drei Zeitebenen sehen, sondern auch mit ihnen interagieren, was wiederum Einfluss auf die anderen Zeitebenen hat. Dieser zeigt sich in Städten ein wenig anders als in Kämpfen. Dort könnt ihr durch simples Herumlaufen einen Blick in die anderen Epochen werfen und Dank Frosch Matias in diesen sogar unterschiedliche Dinge finden oder durch Interaktion mit der Vergangenheit bzw. der Gegenwart die Umgebungen und verfügbaren Gegenstände in der Gegenwart bzw. Zukunft beeinflussen. Beispielsweise könnte es also sein, dass ein Gegenstand, den ihr benötigt, in der Vergangenheit gut sichtbar in einem Regal platziert ist, dasselbe Regal allerdings in der Gegenwart verbaut ist, sodass man den Gegenstand nicht mal sehen kann. Eure Handlungen haben zudem oft deutliche Auswirkungen. So erfahrt ihr unter anderem gleich zu Beginn, dass zwei Häuser in Narim drauf und dran sind, von einem noch unentdeckten Schädlingsbefall zerstört zu werden. Um die Gebäude zu retten, benötigt ihr einen Trank, der in der Vergangenheit verloren ging, den ihr dank eurer Fähigkeiten jedoch finden könnt. Ein Problem bleibt allerdings: Es gibt nur einen einzigen Trank, sodass ihr entscheiden müsst, welches Gebäude ihr retten möchtet. Habt ihr euch entschieden, so könnt ihr durch den Blick in die Zukunft die unterschiedlichen Auswirkungen dieser Entscheidung sehen – die möglicherweise sogar Einfluss auf das Ende des Spiels hat.

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In den Kämpfen findet das Zeitmagie-System indessen taktische Anwendung. In den Konfrontationen befindet ihr euch dabei selbst immer in der Mitte des Bildschirms, während Gegner zu eurer Rechten und Linken erscheinen. Mithilfe von Zeitkristallen könnt ihr die Widersacher links nun in die Vergangenheit schicken, beziehungsweise Widersacher rechts in die Zukunft. Entscheidend dafür, ob ihr das tun solltet oder lieber nicht, ist vor allem der Faktor Alter. So kann ein ausgewachsener starker Gegner in der Gegenwart zu einem gebrechlichen Gegner in der Zukunft werden, aber genauso könnte ein gebrechlicher Gegner in der Gegenwart zu einem Kämpfer in voller Kampfeskraft in der Vergangenheit werden. Doch hat auch nicht jeder Gegner hat seine Blütezeit in dessen Lebensmitte. Manche Kontrahenten werden erst als erfahrene Weise so richtig gefährlich und wieder andere hatten ihre Primetime als Baby. Hier gilt es, zu experimentieren und dann gut zu überlegen, wie die Zeitveränderung genutzt werden will. Das ist aber noch nicht alles, denn nicht nur das Alter der Gegner gilt es zu beachten, auch kann man Gegenstände und Zauber einsetzen, deren Wirkung durch den Zeitsprung beeinflusst wird. So könnt ihr etwa Wasser auf das Schild eines Gegners in der Gegenwart schütten, wodurch es durch den Zeitsprung in die Zukunft zu einem verrosteten Haufen Altmetall wird. Ihr seht also, der Faktor Zeit hat riesige Auswirkung auf das gesamte Spiel.

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Nostalgie vs. Realität

Cris Tales bietet als die Hommage an die JRPGs der frühen 90er-Jahre, die es ist, jede Menge Nostalgiefaktor. Von vielen Mechaniken über das Look and Feel inklusive dem gewählten Musikstil bis hin zur Story selbst kommt einem alles irgendwie wohlig vertraut vor – erinnert uns aber auch schnell an die bekannten Schwächen dieser Game-Generation und warum sie sich weiterentwickelt hat. Auch wenn das Zeit-Element frischen Wind in das betagte Genre bringt, fallen Dinge wie komplette Linearität oder nervige Zufallsbegegnungen im Jahr 2021 sogar noch negativer aus als zu dessen Blütezeit. Die Entwicklungen, die die Charaktere durchmachen, fühlen sich ebenfalls angestaubt an. Alles zusammen könnte genrefremden Gamern mitunter die Lust am Weiterspielen nehmen. Doch darf man bei all dem eines nicht vergessen: Keines dieser Problemchen wird unter den Tisch gekehrt, sondern ganz klar offen kommuniziert. Cris Tales ist eben nicht für die breite Masse gedacht, sondern für langjährige JRPG-Fans, die die "gute alte Zeit" samt all ihren Vor- und Nachteilen vermissen – und diese bedient das Spiel tatsächlich auf bestmögliche Art und Weise.

7.4
Grafik:
8
Sound:
8
Steuerung:
8
Story:
7
Motivation:
6
Cris Tales

Cris Tales

Systeme: PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X|S, PC, Google Stadia, Switch
Getestet auf: PC (Steam)
Genre: Action, Abenteuer, JRPG
Entwickler / Publisher: Dreams Uncorporated, SYCK / Modus Games
Erscheinungsdatum: 20. Juli 2021

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