Ein fantastischer Zirkus, ein starker Bär, ein doppelzüngiger Zirkusdirektor und ein kleines Mädchen, dass sich nach Freiheit sehnt – so beginnt das Abenteuer der kleinen Abby, der Protagonistin des wundervollen deutschen Indie-Games A Juggler’s Tale. Begleiten wir sie auf ihrer gefahrvollen Reise …
Fadenwelt
A Juggler’s Tale beginnt in einer Taverne, in der der Puppenspieler Jack damit beginnt, seine Geschichte zu erzählen: Jene der kleinen Abby. Abbys Welt ist eine Welt der Marionetten, in der jeder – sie selbst, der Bär, der Direktor und alle anderen – an Fäden hängen, die sie durch die Welt begleiten, durch die Hand des Puppenspielers über Schluchten und reißende Flüsse ziehen können, aber sie oftmals auch daran hindern, problemlos voranzukommen – mit Fäden lässt es sich eben nicht unter Dingen hindurchklettern, ohne dass man sich an diesen verheddern würde.
Zu Beginn der Story lebt Abby im genannten Zirkus: Tagsüber der Star der Show, wird sie nachts in ihren kleinen Käfig gesperrt und sehnt sich danach, zu entkommen. Auch der Bär, der während der Vorstellung gefährlich brummt, wünscht sich die Freiheit und ist in Wahrheit Abbys einziger Freund. Eines Nachts nutzen die beiden ihre Chance und fliehen – doch die Flucht läuft nicht ganz nach Plan. Mithilfe des Bären gelingt es Abby, letztendlich zu entkommen, doch ihr vierbeiniger Freund muss zurückbleiben, und der Direktor hetzt ihr zudem Schurken hinterher, die das kleine Mädchen wieder zurückbringen sollen.
Losgelöst
Allzu viel Weiteres wollen wir zur Geschichte von Abbys Abenteuer nicht erzählen, dauert die Story doch gerade mal rund zwei bis drei Stunden. Nur so viel sei gesagt: A Juggler’s Tale spielt durchwegs mit Metaphern, wie den Fäden und dem Puppenspieler, und schafft es, während der kurzen Spieldauer eine vollwertige und durchaus tiefgehende Story zu erzählen, die auch mit so manchem Twist überrascht.
In Sachen Gameplay besteht A Juggler’s Tale zum Großteil aus einfachen bis mittelschweren Rätseln, während derer Abby ihre Jongleursfähigkeiten nutzen bzw. geschickt um die Bewegungseinschränkungen, die ihre Fäden ihr aufbürden, herumkommen muss – oder die Fäden ihrer Widersacher nutzen muss, um diese abzuhängen. Hier kommt ein kleiner Minuspunkt des Titels zu tragen: Oftmals kann man nicht abschätzen, was genau gewisse Aktionen zur Folge haben bzw. wie andere Charaktere im Rätsel agieren, was zu viel Trial-and-Error führt. Das alleine wäre nicht weiter schlimm, oft muss man dadurch nur leider längere Rätselteile wiederholen, um dann beim zweiten, dritten oder gar erst vierten Mal den letzten Abschnitt zu meistern. Das kann frustrieren – ebenso wie das eine oder andere Rätsel, das in erster Linie aufwendig und langwierig, aber sonst nicht wirklich fordernd ist.
Wunderschön und mit viel Liebe gestaltet gibt sich indessen die audiovisuelle Präsentation des Titels. Die Umgebungen simulieren ein ‚erweitertes‘ Puppentheater, das manchmal mehr und manchmal weniger nach wirklicher Holzbühne aussieht. Abby bewegt sich darin immer nur in 2D, die Umgebungen selbst haben jedoch Tiefgang und glänzen in kontrastreichen Farben, was Abbys Welt eine beinahe träumerische Atmosphäre verleiht – manchmal wunderschön, manchmal albtraumhaft düster. Der Soundtrack wartet ebenfalls mit einigen sehr hübschen Melodien auf, die die Handlung und Abbys Reise gekonnt unterstreichen. Und besonderes Lob soll an dieser Stelle auch an den Puppenspieler Jack gehen, der als einziger sprechender Charaktere die gesamte Geschichte trägt und im Deutschen erstklassig von David Steffen gesprochen wird.
Niedliches Märchen zum selber Spielen
A Juggler’s Tale ist nur ein Spiel in einer ganzen Reihe von Indie-Games, die beweisen, dass die schönsten Gaming-Erfahrungen oft mit dem kleinsten Budget auskommen und es tatsächlich viel mehr darauf ankommt, wie viel Liebe in ein Projekt fließt, als darauf, wie fotorealistisch oder bombastisch die Präsentation wirkt. In gerade mal zwei bis drei Stunden nimmt uns Abby in A Juggler’s Tale auf ein Abenteuer mit, das uns emotional berührt, mit so mancher Wendung überrascht, spielerisch trotz kleiner Hacker unterhält und am Ende zufrieden zurücklässt. Mehr kann man sich als Spieler nicht wünschen.
A Juggler's Tale
Systeme: PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X|S, Switch, PC (Steam)
Getestet auf: PC (Steam)
Genre: Puzzle-Platformer, Adventure
Entwickler / Publisher: kaleidoscube / Mixtvision Games
Erscheinungsdatum: 29. September 2021
Kira arbeitet bereits seit 2004 für diverse Videospiel- und Entertainment-Magazine, darunter auch die ehemaligen Printmagazine von Gamers.at und consol.at. Leidenschaftliche Zockerin ist sie allerdings schon seit dem Atari 2600 und sie kann sich auch nicht vorstellen, dass sich das jemals ändern wird.
