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Review: Tell Me Why im Test

Tell Me Why im Test - Review von Unaltered Magazine

Dontnod haben sich in den letzten Jahren mit ihrer Life Is Strange-Reihe als Game Developer etabliert, die in ihren Spielen nicht nur Wert auf spaßiges Gameplay und schöne Präsentation legen, sondern mit ihren Storys auch tiefgründige Themen öffentlich ansprechen möchten. Tell Me Why führt diese Tradition nun fort, unter neuem Namen und bei einem neuen Publisher, aber mit gewohnt fantastischer Atmosphäre, jeder Menge Stoff zum Nachdenken und natürlich auch einem Hauch Übersinnlichkeit.

Geschwisterbande

Tell Me Why versetzt euch diesmal in die Fußstapfen nicht nur in eines, sondern gleich zweier Charaktere: der Zwillinge Tyler und Alyson Ronan. Zehn Jahre ist es zu Beginn der Story her, dass sich die beiden das letzte Mal gesehen haben – und ebenso lange, seit ihre Mutter ermordet wurde, und zwar von niemand anderem als Tyler – damals noch Ollie – selbst, in Selbstverteidigung. Die vergangene Dekade verbrachte Tyler deshalb in einer Betreuungseinrichtung namens Fireweed, in der er nicht nur seine Transition zum jungen Mann vollzog und einen Bachelor in Outdoor Studies ablegte, sondern auch mit seiner Vergangenheit ins Reine kam – zumindest soweit das den Umständen entsprechend möglich war. Alyson wuchs hingegen weiterhin in der Heimatstadt der Geschwister auf, als Adoptivtochter eines Familienfreundes und umgeben von Leuten, die ihre Mutter kannten.

Das Wiedersehen der beiden ist sehnlich erwartet und freudig, hat jedoch einen weniger freudigen Hintergrund: Ihr altes Haus, eben jenes, in dem sie einst mit ihrer Mutter lebten und an dessen Pier diese ihr Leben verlor, soll ausgeräumt und verkauft werden – um beiden ein neues Leben zu ermöglichen. Doch die Rückkehr nach Delos Crossing bringt alte Erinnerungen zurück – und zwar lebhafter, als die beiden gedacht hätten. Seit Kindertagen verbindet die Ronan-Zwillinge nämlich eine ganz besondere Gabe: Sie können in Gedanken kommunizieren und so Worte wie auch Gefühle teilen – und jüngst nun auch Erinnerungen, die sich wie Visionen vor ihren Augen abspielen.

Sich all diesen Dingen zu stellen – dem Haus, den Erinnerungen und nicht zuletzt ihrer Vergangenheit als „kleine Goblins“ ihrer Mutter Mary-Ann, die doch immer so liebevoll schien, nur um Tyler eines Tages scheinbar aus dem Nichts heraus erschießen zu wollen – wirft in den beiden neue Fragen auf, und damit nicht genug: Tyler und Alyson stellen fest, dass ihre Erinnerungen an gemeinsam Erlebtes nicht immer übereinstimmen – da gibt es Szenen, in denen Mary-Ann in der Erinnerung des einen traurig war, in der des anderen jedoch wütend; oder in der ihre ehemalige beste Freundin einmal fürsorglich, laut dem anderen jedoch aggressiv war. Und so wird schnell klar, dass Erinnerungen trügen können und hinter den Ereignissen rund um die fatale Nacht am Pier in Delos Crossing wohl doch mehr steckt, als den Beteiligten bislang bewusst war …

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Gewohnte Wege

Wer Life Is Strange, Before the Storm oder Life Is Strange 2 bereits gespielt hat, der weiß genau, was ihn in Tell Me Why erwartet: Der Titel ist im Grunde ein Walking Simulator, bei dem es darum geht, eure Umgebungen zu erkunden, Gespräche zu führen und Entscheidungen zu treffen, die den Fortlauf der Story maßgeblich beeinflussen. So legt ihr mit eurer Auswahl selbst fest, ob sich Tyler und Alyson im Verlauf der Story näherkommen – oder wie sehr sie sich auseinanderleben –, ob alte Bekannte aus ihrem Leben verbannt oder ihnen trotz unterlaufenen Fehlern vergeben wird, und letztendlich auch, welches Ende euch erwartet, denn auch hiervon gibt es in Tell Me Why wiederum mehrere.

Über die letzten Games hinweg wurden die Episoden fortlaufend ruhiger, mit immer weniger tatsächlichen Action-Momenten und größerem Fokus auf die Story und ihre Charaktere – und auch des setzt sich in Tell Me Why fort. Zeitkritische Passagen gibt es diesmal nur in sehr abgeschwächter Form und an keiner Stelle im Spiel könnt ihr fatale Entscheidungen treffen, die das Spiel vorzeitig beenden oder zum Game-Over-Bildschirm führen würden.

Wer nun fürchtet, dass dies für ein eher langweiliges Spielerlebnis sorgt, der kann an dieser Stelle jedoch beruhigt werden, denn einmal mehr bekommen wir es hier mit einer tiefgängigen Story voller tatsächlich relevanter Themen zu tun: von Tylers Transition zum Mann, seinen eigenen Zweifeln, ob der plötzliche Angriff seiner Mutter nicht darauf zurückzuführen ist, den Reaktionen anderer Bekannter oder Homosexualität in ländlichen Kleinstädten bis hin zu Selbstvorwürfen, Depressionen, Verzweiflung und Selbstmord.

Um alles mit der notwendigen Sensibilität und dem richtigen Einblick zu präsentieren, haben Dontnod während der Entwicklung mit Psychologen und anderen fachkundigen Einrichtungen zusammengearbeitet, was auch dafür sorgt, dass diese Themen hier wundervoll direkt, gleichzeitig aber respektvoll und möglichst positiv aufgearbeitet werden.

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Die Schönheit Alaskas

Wie bereits erwähnt, folgt Tell Me Why der bewährten Dontnod-Formel und so erwarten euch neben der emotionalen Story auch wiederum passende Umgebungen, die sich in einem einzigartigen Mix aus photorealistischem Look mit Gemälde-Feeling präsentieren. Die Grafik erlebt dabei jedoch im Vergleich zu LIS2 ein ordentliches Update und präsentiert sich nun weit detaillierter und realistischer, insbesondere, was die Charaktere anbelangt.

Der Soundtrack untermalt die wunderbare Stimmung im Spiel und setzt sich aus atmosphärischen Hintergrundmelodien, aber auch stimmungsvollen Songs zusammen. Beim Voice Acting begeistert Tell Me Why ebenfalls auf voller Länge, sowohl bei Tyler und Alyson selbst wie auch den sonstigen Bewohnern ihrer Welt.

Ein klein wenig Nachbesserung hätten wir uns lediglich bei der Steuerung gewünscht: Ob ihr bloß langsam gehen oder laufen könnt, hängt von der jeweiligen Szene ab, was oft für unnötig langsames Erkunden sorgt, das Anwählen von Interaktionspunkten funktioniert leider nicht immer ohne davor herum zu hoppeln, um den Befehl sichtbar zu machen, und zudem können zwar ganze Szenen, leider aber keine einzelne Dialogzeilen übersprungen werden, was gerade beim nochmaligen Spielen für etwas Frust sorgt.

In Sachen Spiellänge erwarten euch diesmal drei Episoden mit jeweils rund 4-6 Stunden Gameplay. Zusätzlich dürfen in den Episoden auch wieder Collectibles gesammelt werden, und nach Abschluss eines jeden Kapitels könnt ihr dieses natürlich auch wieder neu starten: entweder im Isolations-Modus, um bloß Vergessenes noch zu suchen, oder auch mit Einfluss auf die späteren Kapitel, um alternative Story-Pfade zu erkunden.

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Neuer Titel, gleiche Begeisterung

Ob Life Is Strange oder Tell Me Why – Dontnod verstehen es einfach, tiefgründige Themen im Rahmen spannender, emotionaler Storys samt sympathischen Charakteren aufzuarbeiten und uns gleichzeitig zu berühren, aber auch ein wenig an der Nase herumzuführen und so bis zum Schluss miträtseln zu lassen, was denn nun tatsächlich geschah. Tell Me Why sieht fantastisch aus, hört sich fantastisch an und hält von Minute eins an bei der Stange, nur um uns am Ende zufrieden und mit positivem Ausblick zu entlassen. Mit insgesamt rund 15 Spielstunden, aufgeteilt auf drei Episoden, ist der Titel auch passend lange, und dank Cliffhangern nach jedem Abschnitt beneide ich auch niemanden, der bis zum Release der restlichen beiden Kapitel noch warten muss. Diesmal fällt die Wartezeit aber immerhin kürzer aus, denn Episode 2 erscheint schon am 3. September, bevor der Titel am 10. September endgültig abgeschlossen wird. Von meiner Seite gibt es für Tell Me Why eine eindeutige Empfehlung und ich freue mich einmal mehr auf noch viele weitere wunderbare Geschichten auf dem Hause Dontnod.

9
Grafik:
9
Sound:
10
Steuerung:
8
Story:
9
Tell Me Why

Tell Me Why

Systeme: Xbox One, PC
Getestet auf: PC Intel Core i7-8700K, 32GB RAM, GeForce RTX 2080
Genre: Walking-Simulator, Abenteuer
Entwickler / Publisher: Dontnod Entertainment / Xbox Game Studios
Erscheinungsdatum: 27. August 2020 (Episode 1), 3. September 2020 (Episode 2), 10. September 2020 (Episode 3)

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Microsoft/Xbox hat uns für dieses Review ein Testmuster von Tell Me Why zur Verfügung gestellt.

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