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Review: Desperados III im Test

Wenn man an den Wilden Westen denkt, kommt einem vieles in den Sinn: Cowboys, Banditen, leichte Mädchen, Verbrechen, jede Menge wilder Tiere … Aber niemand würde auch nur in kleinster Weise an Taktik denken. Gut, es gibt gelegentlich die Feldzüge des Bürgerkriegs, die mit ihren Taktiken für Furore und Verachtung gesorgt haben, doch das einfache Leben sieht nicht sehr geplant aus. Dass sich Taktik und der Wilde Westen aber durchaus gut miteinander vereinen lassen, wurde vor mittlerweile fast zwei Jahrzehnten im ersten Teil von Desperados bewiesen. Leider geriet das Franchise danach etwas in Vergessenheit, und so mussten wir trotz Teil 2 lange Jahre auf einen würdigen Nachfolger warten. Auftritt Desperados III

Wer jetzt Angst hat, er müsse sich in eine zwanzig Jahre alte Serie einarbeiten, dem kann man ganz schnell den Schrecken nehmen, denn die Story ist ein Prequel zum ersten Desperados: Wanted Dead or Alive. Trotzdem sei jedem empfohlen, sich auch die Klassiker anzuschauen, sofern Zeit dafür ist – ich kann Taktikfreunden versprechen, sie wird nicht vergeudet sein. Doch wieder zurück zum neuesten Ableger: Gleich zu Beginn des Spiels treffen wir unseren Hauptcharakter John Cooper, einen Westernhelden, wie er im Buche steht: raue Schale, Drei-Tage-Bart, Revolverheld und von Beruf natürlich Kopfgeldjäger. Dieser ist hinter einem Kerl namens Frank her, der für die DeVitt Railroad Company tätig ist. Diese hält es nicht so genau mit den Gesetzen, erpresst, raubt und mordet entlang des Baus der Eisenbahnstrecke, und ihr seid mittendrin und vermutlich sogar der Einzige, der der DeVitt Company die Suppe kräftig versalzen kann. Zum Glück müsst ihr das aber nicht allein tun: Ein paar Wegbegleiter stehen euch mit ihren Fähigkeiten tatkräftig zur Seite.

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Der sanfte Einstieg

Gespielt wird Desperados III, wie schon seine Vorgänger, in einer isometrischen Draufsicht, die nach Belieben frei drehbar ist. Gesteuert wird alles per Point-and-Click; wenn ihr also zum Beispiel wollt, dass sich Cooper vorwärtsbewegt, so schiebt ihr das Steuerkreuz an die gewünschte stelle und klickt, um die Bewegung auszuführen. Selbiges gilt auch für Aktionen. All diese sind mittels Shortcut-Taste oder durch Klicken auszuwählen. Alte Taktikhasen werden nur die Shortcuts nehmen, dennoch ist es oftmals praktisch, auch die Aktion anklicken zu können. Dies gilt natürlich nur für eine Maus/Keyboard Steuerung; das Spiel lässt sich nämlich auch komfortabel mit Gamepad steuern, und auch hier gilt die Devise: Wo ich das Steuerkreuz hinbewege und klicke, passiert etwas. Die Fähigkeiten lassen sich ganz leicht und schnell über ein Wahlrad aussuchen. Hier muss man ein großes Lob aussprechen, denn die komplexe Steuerung von Taktikspielen für Gamepads zu optimieren, ist kein leichtes Unterfangen.

Positiv verblüffend ist auch der nahtlose Wechsel am PC: Ihr könnt die längste Zeit mit Maus und Keyboard spielen, doch wenn ihr darauf Lust bekommt, nehmt ihr einfach das Gamepad zur Hand und alles wechselt nahtlos über und bei Bedarf wieder zurück. Solch sanften Übergänge wünscht man sich überall, wo mehrere Controller-Schemas zur Verfügung stehen.

Weiter im Gameplay: Anstatt eines langweiligen Tutorials, haben sich die Damen und Herren von Mimimi Games eine kleine Intro-Story einfallen lassen. Ihr begleitet dabei in der Rolle des Sohnes von John Cooper euren Vater bis zum Bahnhof, wobei euch die Basisfunktionen der Steuerung erklärt werden. So ein kleiner Junge muss natürlich lernen, was es braucht, um später mal als erfolgreicher Kopfgeldjäger zu bestehen. Gezeigt werden euch Bewegung, Kamerasteuerung, Schleichen, wie ihr euch versteckt und Bewusstlose fesselt, wie ihr die Blickrichtungen von Gegnern erkennt und sogar wie ihr lautlos tötet und danach die Leichen versteckt. Ja, er ist ein rauer Ort, dieser Wilde Westen, und wir haben gerade mal an der Oberfläche gekratzt.

Im Laufe der folgenden Missionen bekommt ihr mit jedem neu eingeführten Charakter auch weitere Fähigkeiten, die sich zwar in ihren Grundzügen ähneln, aber doch völlig verschieden in ihrer Ausführung und Wirkung sind. Die schrittweise Einführung macht auch Sinn; hätte man gleich zu Beginn alles verfügbar, wäre man wohl ein wenig überfordert. Um neue Skills oder andere Sichtweisen in den Kopf der Spieler zu bekommen, sind vor allem in den ersten Missionen kleine Pergamente verstreut, die euch die gerade benötigte Taktik oder Fähigkeit erklären –praktisch und schön gelöst.

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Bloß nicht auffallen

Desperados III bietet sehr linear anmutende Levels und doch hat man als Spieler eine Vielzahl an Wegen offen, um sein Ziel zu erreichen. Eines ist aber immer das Gebot der Stunde: Macht nicht zu viel Lärm. Ihr seid den Banditen stets zahlenmäßig unterlegen, und wenn einer Alarm schlägt, kommen gleich Dutzende weitere zur Hilfe und es sieht nicht gut für euch aus. Es empfiehlt sich deshalb, einen Tipp ganz besonders zu beherzigen: Macht euch eure Umgebung zunutzen. Diese bietet nicht nur Deckung und Möglichkeiten zur Ablenkung, es gibt auch immer wieder mal Gegenstände oder Tiere, die eure Aufgaben für euch erledigen können und dabei nicht auffallen. Wenn so eine Glocke nicht richtig gesichert ist, kann sie eben schon mal runter- und jemandem auf den Kopf fallen, oder der wilde Bulle tritt unglücklicherweise aus und befördert einen Widersacher in die ewigen Jagdgründe …

Aber natürlich ist das nur eine Möglichkeit, eure Kontrahenten unschädlich zu machen. Auch ein Messer zwischen die Augen geworfen kann effektiv sein, oder eine wohl platzierte Bärenfalle. Manchmal geht es aber nicht anders und die heißen Kugeln aus Blei werden benötigt. Aber so ein Schuss ist laut und kann wieder Aufmerksamkeit nach sich ziehen … All das gilt es im Kopf zu behalten, um erfolgreich ans Ziel zu kommen – denn das ist gar nicht so leicht. Schon eine falsche Bewegung und die geschafften Aufgaben der letzten Minuten sind dahin. Das wussten die Entwickler natürlich auch, und so gibt es eine sehr nützliche und oft zu gebrauchende Schnellspeicherfunktion, mit der dazugehörigen Schnellladefunktion, um ein unglückliches Missgeschick sogleich ungeschehen zu machen. Ein im Menü einstellbarer Timer erinnert euch zudem immer wieder ans speichern. Dadurch wird das Frustpotenzial äußerst gering gehalten und der Spaß nimmt eindeutig Oberhand.

Ein anderes wichtiges taktisch Element in Desperados III ist der Showdown. Hierbei könnt ihr die Zeit anhalten, um Aktionen im Voraus zu planen. So können beispielsweise zwei Banditen gleichzeitig ausgeschalten werden, ohne dass ihr euch mit präzise getimeten Befehlen stressen müsst. Das alles gibt dem Spiel schon richtig taktische Tiefe, aber die richtige Würze bringen letztendlich unsere Charaktere ins Spiel: Neben unserem Hauptprotagnisten John kommen noch alte Bekannte wie Doc McCoy, ein meisterlicher Scharfschütze und Magier mit Betäubungsgas sowie Giftspritze, oder Kate O’Hara, die nicht ganz so unschuldige Verführerin, hinzu. Auch neue Recken wie der Trapper Hector Mendoza, mit seiner riesigen Bärenfalle und Sinn für Gerechtigkeit, oder Isabelle Moreau, die mit ihren Voodoo-Zaubern jedem die Sinne verdrehen kann, sind mit von der Partie. Die Mischung macht Desperados III gleich noch mal interessanter, indem sie reichlich Abwechslung in die Missionen bringt.

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So schön düster kann der Wilde Westen sein

Wenn man sich die Welt von Desperados III so ansieht, fühlt man sich direkt in den Wilden Westen versetzt. Die Landschaft, die Gebäude, die Menschen – alles wurde mit Bedacht platziert, sieht wunderhübsch aus und erzeugt bei Kennern der ersten Teile überdies sofort angenehm nostalgische Gefühle. Das Spiel wirkt ein wenig wie ein alter Freund, der sich einer gewaltigen Schönheits-OP unterzogen hat.

Auch die Umgebungsgeräusche und Sounds unterstreichen das richtige Western-Feeling und paaren es mit der genau richtigen Dosis Nostalgie. Das geht soweit, dass man sich beim Spielen sofort zu fragen beginnt, warum Games dieser Art eigentlich beinahe ausgestorben sind. Ebenfalls nicht gespart hat man bei der Synchronisation, die wirklich top gelungen und in mehreren Sprachen verfügbar ist. Hier kommt allerdings auch ein kleiner Wehrmutstropfen: Die deutsche Synchro ist gut gelungen, hat aber zwei Mankos, die erwähnt werden sollten: Zum einen wirkt sie wesentlich reiner als die Englische; es fehlt ein wenig das Raue, Ungewaschene in der Stimme, vor allem im direkten Vergleich, und zum anderen hat man teilweise sehr bekannte Stimmen genutzt, die ihre Rolle zwar wunderbar spielen, aber leider so einen markante Klang haben, dass man unweigerlich an ihre bekanntesten Charaktere denken muss, wodurch die Immersion etwas leidet. Beispielsweise musste ich dank gleichem Sprecher (Michael Betz) bei Doc McCoy jedes mal an die Serie Galileo denken. Wer also des Englischen mächtig ist, sollte zumindest die Sprachausgabe englisch belassen, für ein besseres Western-Feeling.

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Alles eitel Wonne bei den Cowboys?

Fast, denn bei Desperados III wird vieles richtig gemacht, und doch fehlt gelegentlich etwas. So ist es zwar ein gut gewähltes Feature, die Story komplett in In-Game-Grafik zu erzählen, aber gerade hier hätten ein paar Cinematic Renderszenen an den richtigen Stellen wunder gewirkt. Die weniger detaillierten Figuren stören ab und an in den Story-Szenen, sind aber schnell wieder vergessen, sobald man nicht mehr im vollen Cinematic Zoom ist.

Auch die Missionen sind sehr lang, das ist an sich nichts Schlechtes, doch dadurch wird es schwierig, Desperados III einfach mal schnell für eine kurze Runde anzuwerfen, ohne mitten im spannenden Geschehen unterbrechen zu müssen. Mit den Wiederholungen liefert man weiter ein gutes Werkzeug, um seine Leistung zu optimieren, trotzdem wirken sie nicht ganz fertig, wodurch sich der Nutzen nur in geringem Maße erschließt. Alles aber Jammern auf hohem Niveau.

Für die Langzeitmotivation gibt es in Desperados III nach Abschluss der Story Herausforderungen und auch Achievements, die man in den einzelnen Missionen erreichen kann, beziehungsweise wurden für Juli und August auch schon gratis Updates mit neuen Herausforderungen sowie ein kostenpflichtiger DLC für später im Jahr angekündigt. So schnell werden wir die Western-Welt also nicht mehr verlassen wollen.

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Spieltiefe für alte und neue Taktikfüchse

THQ Nordic und Mimimi Games haben aus meiner Sicht wirklich alles richtig gemacht, um das Desperados-Franchise wieder aufleben zu lassen. Desperados III spielt sich wie eine frische Version eines alten Klassikers und bietet durchwegs Echtzeit-Taktik Spaß auf höchstem Level. Über kleine Schwächen wie das Fehlen von Render Cinematics oder die nicht ganz optimale deutsche Synchro kann man getrost hinwegsehen. Hier jammert man auf höchstem Niveau, denn alles andere greift stimmig wie einzelne Puzzleteile ineinander. Alles in allem bleibt nur mehr die Frage, warum es nicht mehr solcher Titel gibt und ob vielleicht schon an einem Desperados IV gearbeitet wird. Ich hoffe jedenfalls darauf!

9.3
Grafik:
9
Sound:
9
Steuerung:
10
Story:
9
Desperados III

Desperados III

System: PC, PS4, Xbox One
Genre: Echtzeit-Taktik
Entwickler / Publisher: Mimimi Games / THQ Nordic
Erscheinungsdatum: 16. Juni 2020

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