Black Hollow ist nicht, was es scheint. Das verschlafene Dörfchen im kanadischen British Columbia wirkt auf den ersten Blick wie der perfekte Ort, um alle Sorgen hinter sich zu lassen: ruhige Landbewohner, ein Markt am Rand des Waldes, der Wald selbst … Doch was im Wald angeblich lauert, das ist eine ganz andere Geschichte.
The Hollow Gods ist der erste Teil der Chaos Cycle Duologie von A.J. Vrana und versetzt uns in die Fußstapfen nicht eines, sondern gleich von drei Hauptcharakteren: Da wäre zum einen Miya, eine junge College-Studentin, die nach einigen Rückschlägen eigentlich bloß versucht, ihr Leben wieder auf die Reihe zu bekommen – wäre da nicht auch die Erinnerung an ihr Kindheitstreffen mit einem Wolf am Rande des Waldes von Black Hollow und die Geschichten rund um die Dreamwalkerin, die Wölfe nutzt, um junge Mädchen in den Wald zu locken.
Kai muss sich indessen nicht erst fragen, ob es so etwas wie übersinnliche Geschöpfe tatsächlich gibt – immerhin ist er selbst eines. Der Halbwolf hat andere Probleme: einen Dämon, der seinen Geist heimsucht, und eine Serie an unliebsamen Erwachen im Wald neben den Leichen junger Frauen – ohne Erinnerung daran, wie genau es dazu kam.
Und dann wäre da noch Arzt Mason, dessen fatale Fehlentscheidung über die Therapie seiner Patientin ihr Leben frühzeitig beendete, und der in Black Hollow eigentlich bloß eine Auszeit plant – nur um dann doch in die verworrenen Mythen und Legenden der Stadt gezogen zu werden. Umso mehr, da die Bewohner des Ortes bloß äußerst wenig Interesse daran zu hegen scheinen, ihre Sagen offen zu teilen – selbst dann, wenn diese zu einem schier unglaublichen Mord von einem ehemals liebenden Vater an seiner aus dem Wald zurückgekehrten Tochter führt.
The Hollow Gods spielt auf der einen Seite mit der Frage, wie sehr Mythen und Legenden unser Dasein prägen bzw. wie viel Wahrheit in ihnen tatsächlich steckt, wirft aber auf der anderen Seite auch jene Frage in den Raum, ob wir unserem eigenen Geist wirklich immer trauen können. Ist die Dreamwalkerin real? Oder vielleicht doch nur die Ausrede eines hysterischen Dorfes, ihren dunkelsten Seiten freien Lauf zu lassen? Kann man seinen eigenen Gedanken trauen, wenn diese von der Stimme eines Dämons heimgesucht werden? Sind Träume Portale in andere Realitäten oder doch nur ein Symptom des eigenen Wahnsinns? Und warum scheint ein ganzer Ort regelrecht darauf zu warten, vom Unheil heimgesucht zu werden?
Auch wenn die Story, die in The Hollow Gods erzählt wird, durchaus Essenz hat und vor allem gegen Ende hin so manche offene Frage beantwortet, liegt ihre größte Stärke dennoch darin, um die von der Autorin geschickt gesponnenen Mythen und Legenden eher herumzutanzen und nur hie und da handfeste Fakten zu liefern. Als Leser folgt man abwechselnd drei Charakteren mit drei vollkommen unterschiedlichen Blickwinkeln auf das Geschehen und weiß so stets mehr als diese selbst – und kennt dennoch nur einen Teil des gesamten Mysteriums. Das Spannende an der Geschichte ist somit vor allem, genau wie Miya, Kai und Mason selbst, mehr über die Dreamwalkerin und die Sagen von Black Hollow zu erfahren, um nach und nach herauszufinden, was real ist und was nicht bzw. wie alles miteinander verbunden ist. Der flotte Stil, den die Autorin A.J. Vrana dabei an den Tag legt, hält das gesamte Buch über bei Trab und sorgt dafür, dass man The Hollow Gods so schnell nicht weglegen möchte. Schön ist auch, dass sich der Stil mit jedem Charakter entsprechend ändert und man so nicht nur unterschiedliche Blickwinkel erhält, sondern auch die unterschiedlichen Persönlichkeiten der drei durchwegs gut geschriebenen Protagonisten beim Lesen wunderbar fühlen kann.
Der einzige kleine Wermutstropfen an The Hollow Gods ist, dass einem gegen Ende hin ein riesiger Berg an losen (aber doch durchaus spannenden) Infos geboten wird, die einen zwar näher an die Lösung von allem bringen, aber dennoch etliche Fragen offenlassen und letztendlich vor allem verwirren – aber auch das ist in Ordnung, handelt es sich schließlich um den ersten Band einer Duologie, die in Teil zwei hoffentlich noch weitere Antworten liefern wird.
Zwischen Mystik und Wahnsinn
The Hollow Gods hat eine ungewöhnliche und genau deshalb so spannende Erzählweise: Zum einen lässt das Buch von Minute eins an keinen Zweifel daran, dass Übersinnliches in der Story tatsächlich existiert, auf der anderen Seite wirft es aber durch die gesamte Geschichte hindurch immer wieder die Frage auf, wie viel von dem, was Übersinnlich ist, tatsächlich auch das ist, was die zugehörigen Sagen und Legenden vermuten lassen. A.J. Vranas Werk liefert dabei eher Indizien als handfeste Fakten und lässt die Leser somit in einem befriedigenden Limbo aus Erkenntnis und Neugier zurück – der im zweiten Teil der Duologie wohl noch seine tatsächliche Auflösung finden wird. Für alle Fans von Dark Fantasy bekommt The Hollow Gods von uns eine eindeutige Empfehlung.
The Hollow Gods (Chaos Cycle #1)
Autor: A.J. Vrana
Verlag: BooksGoSocial
Genre: Dark Fantasy
Seiten: 384
Alter: ab 16 Jahren
Erscheinungsdatum: 28. Juli 2020 (Englisch; deutsche Version folgt)
Kira arbeitet bereits seit 2004 für diverse Videospiel- und Entertainment-Magazine, darunter auch die ehemaligen Printmagazine von Gamers.at und consol.at. Leidenschaftliche Zockerin ist sie allerdings schon seit dem Atari 2600 und sie kann sich auch nicht vorstellen, dass sich das jemals ändern wird.