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Review: ENCODYA im Test

ENCODYA im Test - Review von Unaltered Magazin

Jahrzehnte nach ihrer Blütezeit in den 90er-Jahren sind klassische Point-and-Click-Adventures aktuell wieder auf dem Vormarsch. Der neueste Vertreter: das futuristisch-dystopische ENCODYA, das die 9-Jährige Tina und ihren Nanny-Roboter SAM-53 auf die Suche nach ihrem vor Jahren verschwundenen Vater und dem potenziell weltveränderndem Projekt, an dem er damals arbeitete, schickt.

Neo-Berlin, im Jahr 2062

ENCODYA spielt in einer nicht allzu fernen Zukunft. Aus Berlin wurde Neo-Berlin, Englisch hat sich als Weltsprache durchgesetzt, Kanji und andere asiatische Zeichensprachen durchziehen das Stadtbild und der Großteil der Bevölkerung verbringt den Großteil ihrer Zeit in einer alternativen, virtuellen Realität, die bei Übergenuss jedoch auch zum Tod führen kann. Genau das geschah ein paar Jahre vor Spielbeginn mit Tinas Mutter, was das kleine Mädchen in der Obhut eines einzigen Beschützers zurückließ: Ihres Nanny-Roboters, dem übergroßen, sanften Riesen SAM-53. Gemeinsam mit ihm macht ihr euch ein paar anfängliche, unverhoffte Hinweise später auf, euren verschwundenen Vater zu finden – verfolgt von den Schergen von Bürgermeister Rumpf, der großes Interesse am letzten Projekt des Mannes hat und dessen Ähnlichkeit mit ehemaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten natürlich rein zufällig ist.

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ENCODYA begann als Kickstarter-Projekt und beschrieb das Spiel dort als eine Mischung aus dem niedlichen, kreativen Stils von Studio Ghibli, der Atmosphäre von Blade Runner und dem Humor und Gameplay von Monkey Island. Tatsächliche Ähnlichkeiten mit den drei oben genannten Werken können wir dem Titel nicht wirklich zusprechen, ENCODYA kommt jedoch mit seinen eigenen Vorzügen, allen voran seiner audio-visuellen Präsentation: Die Umgebungen und Charaktere wurden mit viel Liebe zum Detail entworfen und bringen die düstere, menschen-unfreundliche Atmosphäre des von Großunternehmen kontrollierten Neo-Berlin bestens zur Geltung. Auch spätere Areale samt ihren Bewohnern, die wir aus Spoiler-Gründen noch nicht nennen wollen, sehen durchgehend großartig aus und vermitteln definitiv nostalgisches Point-and-Click-Feeling, ohne dabei veraltet zu wirken, während der futuristisch-technische Soundtrack alles gekonnt untermalt.

Das Rätsel-Design reiht sich indessen im Mittelfeld ein. Während eures Abenteuers übernehmt ihr nicht nur die Steuerung von Tina, sondern auch jene von Roboter SAM, wobei gewisse Dinge nur von jeweils einem der beiden ausgeführt werden können. So ist SAM weit stärker und versteht sämtliche Roboter-Sprachen, während Tina mit ihren Kinderhänden in kleine Löcher greifen und sich auch mit jenen Menschen unterhalten kann, die Robotern nicht über den Weg trauen. Das Konzept von zwei spielbaren Charakteren mit unterschiedlichen Stärken bietet viel Potenzial, wurde jedoch im tatsächlichen Gameplay leider viel zu selten tatsächlich eingesetzt. So gab es für mich als Genre-Veteranen in Sachen Rätseln kaum Überraschendes oder tatsächlich Forderndes, und im gesamten Spiel fand sich auch nur eine einzige Stelle, an der ich eine Aufgabe lösen musste, indem ich zunächst mit einem Charakter eine Aktion startete, dann flott wechselte und mit dem anderen Charakter eine weitere Aktion durchführte.

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Um für etwas mehr Herausforderung zu sorgen, lassen euch die Entwickler zu Beginn des Spiels die Wahl, ob ihr im Easy- oder Hard-Modus spielen möchtet, mit dem Unterschied, dass ihr im Easy-Modus aufsammelbare Gegenstände highlighten und SAM nach Hinweisen fragen könnt, solltet ihr mal nicht weiterkommen. Spielt ihr im Hard-Modus bzw. ohne Hinweise, warten indessen zusätzliche Achievements auf euch. Selbst im Hard-Modus musste ich jedoch nur ein Mal ein wenig länger herumwandern und –knobeln, während die Lösung schließlich als vollkommen übersehener Gegenstand am Boden lag. Rote Heringe (also Gegenständen, die wichtig aussehen, aber in Wahrheit nicht gebraucht werden) sollen ebenfalls den Schwierigkeitsgrad erhöhen und vom richtigen Pfad ablenken, im Endeffekt erwartet uns in ENCODYA aber dennoch Standard-Kombinierkost, die weder wirklich schlecht noch besonders gut oder eindrucksvoll kreativ umgesetzt ist.

Die Sache mit der Durchführung ist generell mein größter Kritikpunkt an ENCODYA, der sich von Kleinigkeiten in der Steuerung bis hin zu den oben genannten Schwächen im Rätseldesign zieht. So gibt es etwa eine Lauf-Funktion, um schneller voranzukommen, diese kann aber nur manuell per Doppelklick in die Landschaft gestartet werden, während die Charaktere bei Klick auf einen Interaktionspunkt im Schneckentempo darauf zugehen, bevor sie ihren Kommentar abliefern oder die gewünschte Aktion ausführen. Zudem ist der Look des Spiels, wie oben bereits erwähnt, wirklich gelungen, während in den Umgebungen selbst viel zu wenig interagiert werden kann. Gefühlt die Hälfte der Bildschirme, durch die wir uns (vor allem später) bewegen, erfüllt keinerlei Funktion und dient nur als Korridor in andere Bereiche – und selbst dort, wo wir wirklich etwas tun dürfen, gibt es kaum Dinge aufzuheben oder anzuschauen bzw. sind die Dinge, die wir dann doch anklicken können, so gut wie immer entweder „verschlossen“ oder „stecken fest“. Das alles in Kombination lässt die Welt von ENCODYA leider trotz aller optischer Schönheit ein wenig leer und leblos wirken, und obwohl die Story an sich nicht unspannend ist, bleibt auch diese – samt ihrem Humor – weit entfernt der großen Klassiker.

Tolles Konzept, mittelprächtige Umsetzung

Zu sagen, ich hätte mit ENCODYA keinen Spaß gehabt, wäre definitiv gelogen – zu sagen, ich hätte mich dabei so sehr amüsiert wie bei beispielsweise Monkey Island, mit dem die Entwickler selbst Vergleiche ziehen, wäre aber ebenfalls weitab der Wahrheit. ENCODYA macht vieles richtig – so sind die Rätsel zwar nicht sonderlich kreativ oder fordernd, jedoch zumindest durchwegs logisch, und das absolute Highlight des Spiels ist seine hübsche Präsentation, die mit liebevoll gestalteten Hintergründen und Charakteren samt passender Sprachausgabe und atmosphärischem Soundtrack durchaus gefällt. Kleinere Steuerungs-Defizite, wenig mögliche Interaktionen mit der Umgebung und eine Story, die zwar interessant, aber weder sonderlich humorvoll noch mitreißend ist, lassen den Titel letztendlich aber doch bloß im Genre-Mittelfeld zurück. Wer Point-and-Clicks liebt und dringend Nachschub braucht, greift zu.

7.6
Grafik:
9
Sound:
8
Steuerung:
7
Story:
7
Rätseldesign:
7
ENCODYA

ENCODYA

Systeme: PC (Steam, GOG)
Getestet auf: PC Intel Core i7-8700K, 32GB RAM, GeForce RTX 2080
Genre: Point-and-Click, Adventure
Entwickler / Publisher: Chaosmonger Studio / Assemble Entertainment
Erscheinungsdatum:  26. Jänner 2021

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