Resident Evil 7 brachte des einstige Horror-Schlachtschiff wieder auf Kurs, nachdem es mit dem fünften und vor allem dem sechsten Teil ordentlich ins Schlingern geraten war. Der achte Teil der Reihe Resident Evil Village machte im Vorfeld zunächst mit kryptischen Trailern auf sich aufmerksam. Werwölfe? Sprechende Puppen? Gigantische Vampirladys? Ist das noch Resident Evil?
Um es vorwegzunehmen: Ja, ist es. Dazu genügt schon ein Blick in die Geschichte. Spätestens ab dem hochgelobten vierten Teil hat sich Resident Evil stets neu erfunden, was mal mehr und mal weniger gut ankam. Vergleicht doch mal den allerersten Teil von 1996 mit dem Action-Overkill von Resident Evil 6. Denn am Ende zählt wie immer nur eines: Ist Resident Evil Village ein gutes Spiel? Dem wollen wir uns jetzt widmen, aber vorher noch eine kleine Anmerkung: Solltet ihr es nicht mehr im Kopf haben oder schlichtweg zu jung sein, um damals dabei gewesen zu sein, erteile ich euch an dieser Stelle Anschaubefehl für das herrlich trashige Intro von Teil 1 von 1996. Eure Laune wird ob der grandiosen schauspielerischen Leistungen sofort steigen, versprochen.
Ethan Winters im Schnee
Die Rückkehr von Ethan Winters als Protagonist stand schon früh fest, interessanter ist er dabei aber leider nicht geworden. Im Gegensatz zu Teil 7 spricht er 2021 zwar wesentlich mehr, bei seinen lahmen Texten und dem Overacting seines englischen wie auch seines deutschen Sprechers wünscht man sich aber manchmal, er würde doch wieder leiser durch die Welt laufen. Immerhin passt seine Motivation, in ein neues Abenteuer zu starten. Zu Beginn lebt er mit seiner Frau Mia und der gemeinsamen Tochter Rose in Rumänien, bis er Besuch von einem altgedienten Charakter der Serie bekommt. Dies löst eine Reihe von Ereignissen aus, an deren Ende Ethan sich auf die Suche nach seinem Kind im titelgebenden Dorf macht und mit allerlei Horrorgestalten konfrontiert wird. Serientypisch schlägt die Story einige Haken und gipfelt in einem skurrilen Finale. Aber ist es nicht genau das, wofür man Resident Evil kennt und liebt? Denn auch wenn so ziemlich alle anderen Figuren dem Hauptcharakter die Show stehlen, so motiviert die Geschichte doch stets zum Weiterspielen. Man weiß eben, was man bekommt: Überzogene Bösewichte, eine ganze Wagenladung an Horror-Klischees und den einen oder anderen WTF-Moment. Wer den Vorgänger nicht kennt, der wird übrigens dank guter Zusammenfassungen schnell auf den aktuellen Stand gebracht.
Mehr Terror als Grusel
Resident Evil Village erinnert nicht nur optisch stellenweise an Resident Evil 4, es zeigt sich auch beim Gameplay deutlich vom vielleicht beliebtesten Teil der Reihe inspiriert. Subtilen Horror im Stil der frühen Silent Hill-Games solltet ihr hier nicht erwarten. Dafür stand Capcoms Horror-Franchise ohnehin noch nie. Aber genau genommen ist Resident Evil Village zu fast keiner Stelle wirklich gruselig. Wer sich aber an das Dorf zu Beginn von Teil 4 erinnert, kann sich denken, was auf ihn/sie zukommt – Terror und Hilflosigkeit ob der schieren Übermacht der Feinde. Gerade zu Beginn fühlt man sich im Dorf und später im Schloss wie auf dem Präsentierteller, was zu einem ganz eigenen Gefühl von Panik führt. Im weiteren Spielverlauf geht das leider ein wenig verloren, wenn man bessere Waffen findet und die Settings nicht mehr ganz so stimmungsvoll sind wie in der ersten Spielhälfte. Trotzdem ist Resident Evil Village ein sehr atmosphärisches und zudem noch wunderschönes Spiel. Es kann euch leicht passieren, dass ihr gedankenverloren durch die verschneite Landschaft streift, der gelungenen Sounduntermalung lauscht und wenige Sekunden zusammenzuckt, weil Ethan die nächste Wunde einstecken muss. Es erklärt sich eigentlich von selbst, aber auch an dieser Stelle sei erwähnt, dass Resident Evil Village nichts für Spieler*innen mit schwachen Mägen ist, auch wenn es in den Remakes zu Teil 2 und 3 nochmal deutlich heftiger zur Sache ging. Diesen unerfreulichen Begegnungen zum Trotz dient euch das Dorf lange als eine Art Hub, auch wenn dessen Bewohner kaum mehr als wandelnde Klischees sind.
Was mit dem Meme von Lady Dimitrescu ist, wollt ihr wissen? Dieses Review ist natürlich spoilerfrei, aber sie ist nicht so omnipräsent, wie man es vielleicht erwartet hätte. Ihr Schloss ist dennoch ein, wenn nicht gar DAS Highlight des Spiels. Man hat kaum Zeit, das stilvoll eingerichtete Gemäuer zu bestaunen, so sehr ist man damit beschäftigt, sich die Lady und ihre Töchter vom Leib zu halten. Doch Resident Evil Village ist nicht nur pure Action. Immer wieder lockern Stealth-Passagen das Geschehen auf, die an Teil 7 erinnern. Forschernaturen dürfen sich zudem an diversen, teilweise sehr gut versteckten Goodies austoben, die man dann beim Händler gegen diverse Upgrades eintauschen darf, oder sich aus erlegten Tieren statusverbessernde Nahrung zubereiten. Das ist zwar alles nicht neu, aber das macht es nicht weniger motivierend. Die Abwechslung, fair gesetzte Autosaves und unbegrenztes Speichern an den Schreibmaschinen halten das Frustlevel in Resident Evil Village angenehm niedrig. Nur im letzten Drittel, wenn man Unmengen an Blei in riesige Feindeshorden pumpen muss, wird das Gameplay etwas nervig. Das Gunplay war eben noch nie die Stärke der Reihe.
Schon wieder anders … zum Glück
Resident Evil Village unterläuft und erfüllt die Erwartungen zugleich. Wer dachte, dass Capcom sich nach dem von Kritikern und Fans gefeierten siebten Teil weiter auf den Psychoterror im Haus der Bakers setzen würde, sieht sich getäuscht. Trotz der gleichen Hauptfigur und Spielperspektive setzt der Nachfolger viel mehr auf Action und Terror. Und das macht er verdammt gut! Man kann es Capcom nicht hoch genug anrechnen, dass sie mit ihrer riesigen Marke nicht auf Nummer sicher gehen, sondern immer wieder mit Neuem experimentieren. Das geht nicht immer gut, im Falle von Resident Evil Village ist das Experiment aber zu großen Teilen geglückt. Kritik muss nur am buchstäblich gesichtslosen Protagonisten (schaut euch mal die freispielbaren Artworks an!) samt bereits erwähnten Schwächen der Sprachausgabe und am Gunplay üben, welches gerade im letzten Drittel zum Ärgernis wird. Das ist auch der einzige Punkt, wo die ansonsten gute Steuerung an ihre Grenzen stößt. Natürlich ist Ethan kein ausgebildeter Supersoldat, aber bei schnellen Gefechten wünscht man sich doch manchmal, er wäre einer.
Ein Highlight der Reihe!
Ich bin kein RE-Veteran, obwohl ich seit 1996 dabei bin. Dadurch kann ich an jeden Teil ohne Erwartungen herangehen und ganz neutral sagen, dass Resident Evil Village mir eine Menge Spaß gemacht hat. Mir wäre zwar etwas subtilerer Horror lieber gewesen, aber dafür gibt es andere Reihen, und irgendwie mag ich ja auch den übertriebenen Blödsinn, den uns Capcom mit jedem neuen Teil um die Ohren feuert. Außerdem versteckt sich in Resident Evil Village ein Moment, den ich so nie erwartet hätte und der mich kalt erwischt hat. Silent Hill P.T. lässt grüßen! Capcoms neueste Horrormär hat zwar nichts mehr mit den alten Teilen zu tun, ist aber ein wirklich unterhaltsames Spiel geworden. Und das ist es, worauf es mir am Ende ankommt.
Resident Evil Village
Systeme: PS4, PS5, Xbox One, Xbox Series X|S, PC
Getestet auf: Xbox Series X
Genre: Action-Survival-Horror
Entwickler / Publisher: Capcom
Erscheinungsdatum: 7. Mai 2021
Zocker seit Game Boy Tagen, als ihn Mystic Quest und Metroid II in fremde Welten entführten. Musikliebhaber und Film-Nerd mit Hang zum kreativen Schreiben. Tobt sich auch mit eigenen Texten über Filme, Musik und Games auf der eigenen Seite aus, die über das WordPress-Symbol hier drunter zu erreichen ist.