2018 erschien mit Remothered: Tormented Fathers ein zwar nicht durchgehend perfektes, aber dennoch sehr solides Survival-Horror-Game, das schnell eine Anhängerschaft an treuen Fans fand und dank offenem Ende bereits damals eine Fortsetzung anteaserte. Auftritt Remothered: Broken Porcelain. Als sowohl Prequel wie auch Sequel erzählt der neue Titel die Geschichte rund um die unlauteren Ereignisse rund um Dr. Feltons Experimente weiter, während die Gameplay-Latte im Vergleich zum ersten Teil angehoben werden soll.
Reise durch die Zeit
Remothered: Broken Porcelain beginnt damit, dass ihr die Kontrolle über die junge Jennifer übernehmt, die nach ihrem Rauswurf aus dem Internat Flemmington Girls’ Institute als Hilfskraft im Ashmann Inn arbeitet und offensichtlich gerade mal wieder in Schwierigkeiten geraten ist. Mitverantwortlich: Ihre, zumindest ehemalige, beste Freundin Lynn, die auch für Jennifers verletzten Arm verantwortlich ist, wie wir erfahren. Ein kurzes Intro später werden die Dinge jedoch noch mal ein Eck düsterer, denn aus der zuvor zwar strikten, aber durchaus geistesgegenwärtigen Belegschaft des Inns werden kurze Zeit später mordlustige Stalker, die Jennifer nach dem Leben trachten – also heißt es verstecken, weglaufen und vor allem: Nichts wie raus aus hier.
Fans der Serie werden bereits jetzt die ersten Verbindungen zur Story von Tormented Fathers ziehen und liegen damit vollkommen richtig, denn wie anfangs schon erwähnt, dient der Titel nicht nur als Sequel, sondern auch als Prequel, in dem ihr den einen oder anderen aus dem Vorgänger bekannten Charakter wiedertrefft. Was in Sachen tatsächlichem Plot auch durchaus spannend ist, leidet allerdings ein wenig an der Art, wie erzählt wird. So springt ihr ohne großartige Anhaltspunkte, wo bzw. wann ihr euch gerade befindet, durchgehend in der Zeit herum und erlebt oft vor allem Momentaufnahmen, die die Story sehr zerklüftet wirken lassen: So sehen wir einmal, was der jungen Jennifer im durchgedrehten Ashmann Inn passiert, einmal, wie es zur Freundschaft zwischen ihr und Lynn kam, schließlich wie sich die beiden abrupt näherkamen, nur um sich dann genauso schnell zu zerstreiten, oder letztendlich auch, was der Protagonistin aus Tormented Fathers, Rosemary Reed, nach den Ereignissen von Teil eins wiederfährt. Was fehlt, ist ein roter Faden, und leider ist auch das Writing in den Dialogen oft sehr steif und unnatürlich. Immerhin die Story selbst, sofern man die Zeitlinie durchschaut hat, baut wunderbar auf dem auf, was wir aus Tormented Fathers bereits wissen und vermittelt uns Hintergründe zu beinahe allen Charakteren aus Teil eins, um die Lore der Serie gekonnt auszubauen und offene Fragen aus dem Vorgänger befriedigend zu beantworten.
Von Stalkern umgeben
Das Gameplay von Remothered: Tormented Fathers basierte vor allem auf einem: Euren Stalkern und damit auch jeglicher Konfrontation mit diesen zu entgehen, indem ihr euch durch die Villa von Dr. Felton schlicht und euch bei Bedarf unter Bänken, in Kästen und mehr verstecktet. Auch Remothered: Broken Procelain folgt diesem Prinzip, macht dabei aber auch die eine oder andere Konfrontation mit euren Peinigern notwendig. In einem der ersten Kapitel gilt es so etwa, das plötzlich durchgeknallte Oberzimmermädchen Andrea mit Behilfswaffen wie einer Schere außer Gefecht zu setzen. Diese Einlagen sollen für mehr Action sorgen, wirken im Vergleich zu den Schleichpassagen jedoch unausgereift: Gelegenheiten für eure Angriff könnt ihr nur durch Einsatz von Ablenkungsitems oder durch Anschleichen erzeugen, während erstere stark limitiert sind und zweiteres viel oft misslingt, da ihr vorher entdeckt werdet. Passiert das, müsst ihr weglaufen und neue Gelegenheiten schaffen, doch einmal in eine Ecke getrieben, bleibt ihr nicht zu selten zwischen Möbeln und Stalker stecken, ohne Möglichkeit, Gegner auch nur aus dem Weg zu schubsen. So erliegt ihr so manchem unfairen Tod, was für reichlich Frustmomente sorgt. Immerhin sind diese Kampf-Passagen nicht allzu häufig.
Apropos Items: Auch hier hat sich diesmal einiges getan: So könnt ihr nun nicht nur Ablenkungsgegenstände aufheben, sondern auch diverse Dinge miteinander kombinieren, um beispielsweise Fallen zu basteln. Zusätzlich findet ihr im Spiel Mottenschlüssel, die ihr an bestimmten Stellen im Spiel gegen passive Fertigkeiten eintauschen dürft, darunter schnellere Gesundheitsregeneration, besseres Crafting-Potential oder mehr Stealth. Während all das dem Titel potenziell mehr Gameplay-Tiefgang verleihen soll, liegen die wahren Stärken von Remothered: Broken Porcelain aber genau dort, wo sie auch in Tormented Fathers lagen: Im Schleichen und Verstecken, ohne entdeckt zu werden, bzw. im Entkommen, sollte euch einer eurer Stalker doch mal auf den Fersen sein. Von letzteren gibt es diesmal übrigens gleich fünf an der Zahl, wobei euch auch mehrere gleichzeitig über den Weg laufen können. Um dies auszugleichen, lauft ihr nun deutlich schneller als eure Verfolger und könnt somit leichter entkommen. Wartet ihr in einem Spint oder unter einer Couch darauf, dass die Gefahr von euch ablässt, müsst ihr für mehr Spannung dafür sorgen, dass Jennifer die Ruhe bewahrt, indem ihr einen kleinen zitternden Punkt per Stick in einem Kreis haltet. Das Ganze ist nicht sonderlich fordernd, hebt jedoch den Nervositätsfaktor gekonnt an.
Rat- und Rätsellos
Eines der spannendsten Gameplay-Elemente in Tormented Fathers waren die Umgebungsrätsel, die ihr immer wieder lösen musstet. Auch in Broken Porcelain kommen solche vor, das Level an Komplexität und Abwechslung wurde dabei jedoch leider nach unten geschraubt, während auch die Missionsziele, die euch in Hinweise darauf geben sollen, was im Ashmann Inn als nächstes zu tun ist, oft ein wenig verwirrend ausfallen. Das sorgt dafür, dass ihr Remothered: Broken Porcelain im Grunde in drei Stunden durchspielen könntet, beim ersten Versuch wohl aber eher um die fünf bis acht Stunden benötigen werdet, weil ihr ab und an weite Strecken damit verbringt, das Inn zu durchstreifen, um schlicht herauszufinden, wo denn nun das nächste Event getriggert wird.
Gleich zu Release vor zwei Wochen gab es im Spiel zudem so manches technische Problem, das das Erlebnis trübte: von Aktionspunkten, die nicht aufscheinen wollten, über Stalker, die plötzlich Charaktere in Cutscenes attackierten, während diese sogar in anderen Zeitepochen spielten, bis hin zu aufpoppenden Texturen oder falsch gesetzten Hitboxen, die dafür sorgten, dass ihr man an unsichtbaren Möbelstücken steckenbleiben konnte – was eher ungut ist, wenn man gerade versucht, mordenden Zimmermädchen zu entkommen. Seit Release gab es jedoch bereits einige Patches, die einen Großteil dieser Probleme korrigieren konnten und das Spielerlebnis läuft nun weit flüssiger und frustfreier als zu Beginn gestalten.
In Sachen genereller Präsentation gibt es in Remothered: Broken Porcelain ebenfalls sowohl Licht wie auch Schatten: Die Umgebungen generell sehen hübsch aus und bieten auch genügend Abwechslung, während so manche Textur jedoch recht verschwommen wirkt und eher an Spiele der letzten Generation erinnert. Die Charaktermodelle mit ihren Animationen gefallen soweit, lediglich die Gesichtsanimationen wirken des Öfteren nicht wirklich passend, genau wie die Sprachausgabe, die an weiten Stellen etwas lieblos rüberkommt. Alles richtig macht der Titel hingegen in Sachen Soundtrack und Sounddesign. Die gruselig-schönen Melodien, die uns während des Abenteuers begleiten, schaffen jede Menge Atmosphäre und auch die Soundeffekte können sich durchwegs hören lassen.
Zwischen Licht und Schatten
Remothered: Broken Porcelain macht es mir nicht leicht. Während ein Großteil der Kritiker seine helle Freude an Tormented Fathers hatte, konnte ich mich mit der Story von Teil eins nie so richtig anfreunden. Bei Broken Porcelain sah die Sache jedoch ganz anders aus: Trotz der verwirrenden Zeitsprünge und dadurch scheinbar zu plötzlichen Entwicklungen, hat mir der generelle Plot des Titels sehr gut gefallen und es sogar geschafft, mir Teil eins näherzubringen. In Sachen Gameplay bleibt Broken Porcelain hingegen hinter seinem Vorgänger zurück: Nicht nur wollen die neuen Kampf- bzw. Konfrontations-Passagen sich nicht so wirklich ins Gesamtbild einfügen, auch die wenigeren Rätsel und das dadurch recht repetitive Gameplay konnten mich nicht vollends überzeugen und hinterlassen den Eindruck, dass der Titel sich nicht ganz einig werden konnte, ob er nun bloßes Stealth-Survival-Horror-Game bleiben oder doch mehr in Richtung (nicht wirklich gelungenes) Action-Adventure gehen wollte. Alles in allem ist der Titel, vor allem für Fans von Tormented Fathers, definitiv empfehlenswert, bleibt aber leider dennoch hinter vielen anderen Genre-Vertretern zurück. Für den dritten und voraussichtlich letzten Teil der Trilogie wünsche ich mir, dass die Entwickler hier klarere Gameplay-Aussagen treffen und hoffentlich auch gleich zu Beginn ein weniger Bug-geladenes Spiel veröffentlichen. Darauf freuen tue ich mich trotzdem.
Remothered: Broken Porcelain
Systeme: PC (Steam, Origin), PS4, Xbox One, Switch
Getestet auf: PC Intel Core i7-8700K, 32GB RAM, GeForce RTX 2080
Genre: Survival-Horror
Entwickler / Publisher: Stormind Games / Modus Games, Darril Arts
Erscheinungsdatum: 13. Oktober 2020
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Kira arbeitet bereits seit 2004 für diverse Videospiel- und Entertainment-Magazine, darunter auch die ehemaligen Printmagazine von Gamers.at und consol.at. Leidenschaftliche Zockerin ist sie allerdings schon seit dem Atari 2600 und sie kann sich auch nicht vorstellen, dass sich das jemals ändern wird.